Beim Dreh von „Lone Ranger“: „Manchmal hatte ich Todesangst"
04.08.2013
Interview:
Anna Wollner
„Die aufregendste Rolle ist immer die nächste“, sagt Armie Hammer. Als der Jung-Star aus Los Angeles für den Action-Western „Lone Ranger“ engagiert wurde, lagen gleich in mehrfacher Hinsicht aufregende Zeiten vor ihm. Erstens musste er neben Johnny Depp bestehen. Und zweitens entpuppten sich die Stunts als echte Mutproben: „Es gab Momente, in denen ich wirklich Todesangst hatte“, verrät Hammer im FilmClicks-Interview.
Western. Armie Hammer ist der „Lone Ranger“. Gemeinsam mit dem Indianer Tonto (Johnny Depp) zieht er in dem Action-Western von „Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski durch ein von Gangstern geplagtes Texas (ab 8. August). Die Helden sind nicht nur fintenreiche Kämpfer, sondern auch optisch ein auffälliges Gespann. Der Ranger setzt immer mal wieder seine Augenmaske auf, und Tonto ist nie ohne seinen Kopfschmuck, einen toten Raben, zu sehen.
Die Rolle mit der Maske macht Armie Hammer zum Mann mit zwei Gesichtern. Nicht zum ersten Mal: Berühmt wurde er mit seinem doppelten Auftritt im Facebook-Drama „The Social Network“, in dem er die Zwillinge Tyler und Cameron Winklevoss verkörperte. Der Upper-Class-Hochmut, den er in „Social Network“ ausstrahlen musste, mag ihm durchaus vertraut sein: Armie Hammer stammt aus einer schillernden Familie. Sein Urgroßvater war der legendäre Industrielle und Kunstsammler Armand Hammer, der als Kapitalist und als Sozialist durchs Leben ging.
FilmClicks: In „The Social Network“ spielten Sie die Brüder Winklevoss, die im Streit mit David Zuckerberg lagen. Wie oft sind Sie seither auf Ihren imaginären Zwillingsbruder angesprochen worden?
Armie Hammer: Oft. Sehr oft. Und wenn ich selbst nicht so stolz auf den Film wäre, wäre ich schon total genervt davon. Aber da der Film zu den besten Erfahrungen meines Lebens gehört, nehme ich diese Last gerne auf mich. Doch selbst in Interviews kommt die Sprache oft auf meinen vermeintlichen Zwillingsbruder. Und das, obwohl der Film ja drei Jahre her ist.
Haben Sie Angst, dass die Rolle für immer an Ihnen haften bleibt?
Ein wenig, aber um ehrlich zu sein: genau darum geht es ja bei der Schauspielerei. Zu schauspielern ist doch viel angenehmer als einen Nine-To-Five-Job zu haben und jeden Tag mit Tausenden von anderen im Anzug ins Büro zu gehen. Als Schauspieler muss ich das auch manchmal. Aber nur in einer Rolle. In anderen Rollen mache ich andere Sachen, spiele auch mal zwei Brüder. Und die aufregendste Rolle ist natürlich immer die nächste.
Gibt es bei Ihnen denn dieses klassische Schubladendenken? Einmal Cowboy immer Cowboy?
Selbst wenn. Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel, nie die Möglichkeit zu haben, einen Cowboy spielen zu können.
Als Sie bei „Lone Ranger“ zum ersten Mal Johnny Depp im vollen Kostüm sahen, mit dem Vogel auf dem Kopf: was haben Sie sich da gedacht?
Ich konnte mich zum Glück ganz langsam daran gewöhnen. Als ich zum ersten Mal den Vogel sah, saßen wir gerade in einem Büro in Albuquerque in New Mexico und hatten eine der ersten Drehbuch-Lesungen. Alle Schauspieler saßen um einen großen Tisch herum, wir wollten gerade anfangen, als mir jemand auf die Schulter klopfte und sagte, dass Johnny Depp mich gerne kennenlernen würde. Plötzlich tippt mir wieder jemand auf die Schulter, ich dreh mich um und gucke Tonto ins Gesicht. Johnny kam mit vollem Make-Up, hatte den Vogel auf dem Kopf und sagte hallo. Ich habe mich dermaßen erschrocken, dass ich fast einen Herzinfarkt bekam. Wir haben dann so viel Zeit in den Kostümen verbracht, dass ich heute, wenn ich Johnny sehe, immer das Gefühl habe, dass etwas fehlt. Irgendwann fällt es mir dann ein: klar, der Vogel.
Sind Sie ein mutiger Mensch?
Ich würde nicht sagen mutig. Meine Frau Elizabeth Chambers sagt immer, dass ich eine Frontallappen-Entwicklungsstörung habe. Das heißt, ich kann Risiken nicht wirklich abschätzen. In bestimmten Situationen zumindest. Ich würde es also nicht mutig nennen, sondern einfach nur blinde Doofheit.
In „Lone Ranger“ spielten Sie viele Stunt-Szenen. Was war das Aufregendste?
Es gab zwei Momente, in denen ich wirklich Todesangst hatte. Der erste kam gleich in der ersten Action-Szene, in der ein Zug entgleist und auf uns zurutscht. Sie haben uns versichert, dass Johnny und mir nichts passieren kann, dass der Zug gute zehn Meter vor uns stoppt und es hinterher nur so aussieht, als wären wir in Gefahr gewesen. Wir haben uns also überhaupt keine Sorgen gemacht. Als die Kamera dann lief und der Zug entgleiste, hat nichts und niemand ihn aufgehalten. Er ist immer weiter auf uns zugerutscht. Johnny und ich haben uns panisch angeguckt, wir wussten aber auch nicht was wir machen sollten – außer abwarten und hoffen, dass wir da heil raus kommen. Knapp einen Meter vor uns ist der Zug dann endlich liegen geblieben. Es gab viel Rauch, überall war Chaos, keiner hat uns gesehen und die Crew dachte kurz, sie hätte ihre beiden Hauptdarsteller auf dem Gewissen.
Und die zweite Szene?
Oh, das ist die, in der ich ganz hoch hinaus musste und von Tonto auf diesem Hochsitz abgesetzt wurde. Das Ding war über 10 Meter hoch und extrem wackelig. Als man mich einmal oben hatte, durfte ich fünf Stunden lang nicht mehr runter. Zu allem Überfluss ist die ganze Zeit der Kamerahelikopter um mich herumgeflogen und hat die ganze Plattform zum Wackeln gebracht. Ich selbst habe mir ständig eingeredet, dass mein Tod wenigstens einen Sinn hat. Immerhin wäre ich auf einem Filmset gestorben.
Waren Sie nicht abgesichert?
Doch, natürlich. Die Plattform war mit Stahlseilen gesichert. Aber auch hier bin ich wieder über meinen eigenen Übermut gestolpert. Hinauf kam man nur über eine sehr klapprige Holzleiter. Die hochzuklettern, war eigentlich schon reiner Selbstmord. Mein Stunt-Coordinator, ein ausgebildeter Kletterer, hat mich noch am Boden gefragt, ob ich einen bestimmten Knoten kann. Ich wollte mich nicht blamieren und habe gesagt, natürlich. Seine Antwort hat mich fast den Kopf gekostet. Er meinte allen Ernstes: OK, wenn du hochkletterst und oben ankommst ist das erste, was du machst dein Sicherheitsseil mit dem Sicherheitsseil da oben verknoten. Eben mit diesem bestimmten Ding. Erst da wurde mir klar, dass ich alleine da hoch muss und er gar nicht mitkommt. Das Problem war ja nicht nur die Höhe der Plattform, sondern vor allem die tausend Meter tiefe Schlucht unter uns.
Haben Sie jemals gelogen, um eine Rolle zu bekommen? Zum Beispiel, dass Sie reiten können?
Da musste ich zum Glück nicht lügen, denn ich saß vor „Lone Ranger“ schon mal auf einem Pferd. Aber wenn mir Pferde fremd wären und man mich gefragt hätte, ob ich sattelfest bin, hätte ich wahrscheinlich gelogen. Pferde? Selbstverständlich. Ich habe mein eigenes Pferd. Doch die Leute vom Casting sind nicht blöd. Die wissen natürlich, dass jeder Schauspieler lügt. Egal ob es ums Reiten, Fechten, oder Balletttanzen geht. Wenn wir einen Job haben wollen, lügen wir Schauspieler alle.
Haben Sie keine Angst, dass so eine Lüge spätestens am ersten Drehtag auffliegen würde?
Natürlich, diese Lügen rächen sich irgendwann alle. Ich musste zum Glück noch nicht so viele extreme Dinge in meiner Karriere tun. Für „The Social Network“ haben sie mich gefragt, ob ich rudern kann. Klar kann ich rudern. Ich hatte da noch keine Ahnung, dass Rudern zu den schwersten Dingen auf der ganzen Welt gehört. Aber ich hatte zehn Monate Zeit zum Üben und es hat geklappt.
Neben dem „Leben Riskieren“ haben Sie ein zweites, ungewöhnliches Hobby.
Sie meinen nicht ungewöhnlich, sondern unmännlich, oder?
Naja, Sie betreiben zusammen mit Ihrer Frau eine Bäckerei.
Genau, wir haben sie vor anderthalb Jahren in San Antonio, Texas aufgemacht. Eigentlich haben wir ein kleines Cafe. Wir bieten Frühstück, Mittagessen und Kuchen an. Wir haben alles. Cupcakes, Brownies, Kuchen, Kekse, Kaffee. Einfach alles.
Stehen Sie selbst in der Backstube?
Um Gottes Willen, dann wären wir schon pleite. Das Lustige ist: ich kann gar nicht backen. Ich esse immer nur.