Josef Hader über den Detektiv Brenner und „Das ewige Leben“


„Die Geschichte, in der es dem Brenner am dreckigsten geht“

03.03.2015
Interview:  Gunther Baumann

Ein mürrischer Detektiv, der über „Das ewige Leben“ sinnert: Josef Hader als Simon Brenner © Dor Film

Insgesamt 717.635 Kinobesucher in Österreich: Die drei Thriller, in denen Josef Hader den übellaunigen Detektiv Simon Brenner spielt, wurden zu Top-Hits des österreichischen Kinos. Nach „Komm, süßer Tod“ (2000), „Silentium“ (2004) und „Der Knochenmann“ (2009) ist jetzt „Das ewige Leben“ am Start. „Es ist die Geschichte, in der es dem Brenner am dreckigsten geht“, erzählt Josef Hader im FilmClicks-Interview, in dem auch von hässlichen Klassentreffen, von Gene Hackman und vom dramatischen Dreh des Films die Rede ist. 


FilmClicks: „Das ewige Leben“ ist die vierte Verfilmung eines Krimis von Wolf Haas. Und es ist die erste, in der Ihre Figur, der Simon Brenner, in eigener Sache ermitteln muss. Er wacht mit einem Kopfschuss auf und fragt sich, wer das getan hat.
Josef Hader: Brenner ist diesmal ein sehr rekonvaleszenter Detektiv. Nicht besonders fit. Er ist ein Detektiv, der eigentlich ins Bett gehört. Als Wolf Haas, Regisseur Wolfgang Murnberger und ich zu Beginn des Projekts überlegten, welchen der Romane wir  verfilmen könnten, stand für uns fest: Brenner sollte einer Situation ausgesetzt sein, die er noch nicht kannte. Schließlich wollen wir uns in den Filmen nicht wiederholen.  Also entschieden wir, wir nehmen die Geschichte, in der es dem Brenner am dreckigsten geht. Und das  ist „Das ewige Leben“.

Erfolgs-Trio: Josef Hader mit Autor Wolf Haas und Regisseur Wolfgang Murnberger © Dor Film

„Das ewige Leben“ ist ein Thriller, doch es dauert an die 30 Minuten, bis wirklich der Kriminalfall passiert.
Die ersten 20 Minuten, könnte man sagen, sind eine Verbeugung vor dem russischen Filmemacher Andrei Tarkowski. Da hat der Film eine gewisse trostlose russische Atmosphäre, wo arme Menschen in Abbruchhäusern leben (lacht). Der Brenner ist am Tiefstpunkt und kommt in seine Heimatstadt Graz zurück, und er hat dann mit alten Bekannten so etwas wie ein lang andauerndes Klassentreffen.  Solche Klassentreffen sind für erfolglose Menschen schon hässlich, wenn sie nur zwei Stunden dauern.  Für den Brenner dauert diese Erfahrung Tage und Wochen. Dementsprechend depressiv ist er dann.
 
Im Roman wird der Kriminalfall erst auf den letzten Buchseiten aufgelöst…
Das ist in allen Krimis von Wolf Haas so, das sind klassische Whodunits (Wer war’s?, Anm.). Im Buch finde ich das sehr spannend – im Film nicht. Ich war schon als Kind unglaublich angeödet von diesen Agatha-Christie-Krimis, wo man bis zum Schluss warten muss, um zu erfahren, wer der Mörder ist. Das kam mir immer wie eine sehr breit angelegte Mathematik-Aufgabe vor – und ich hasse Mathematik. Deswegen war mir bei den Brenner-Verfilmungen von Anfang an klar, dass wir keine Whodunits machen, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt verraten, wer der Täter ist. Man schaut dem Mörder bei den Morden zu.  Im Film geht es eher darum, wie der Kampf zwischen Detektiv und Täter passiert. Das sind sehr dramatische Situationen, während das Warten drauf, wer der Mörder sein könnte, sehr undramatisch ist. Wir entscheiden uns also immer für das Drama. Oder auch für die Komödie. Die Komödie passiert sozusagen nebenbei. Das können wir gar nicht verhindern.
 
Legen Sie die Figur des Brenner an wie einen zweiten Anzug oder müssen Sie sich bei jedem neuen Film wieder neu einfühlen in den Mann?
Das schwierigste ist immer mein Wechsel vom Co-Autor, der sich um die  komplette Geschichte gekümmert hat, zum Schauspieler, der den Fokus nur auf seine eigene Figur legt. Das ist ein Prozess, auf den ich ein paar Tage verwende. Ein zweiter Anzug ist der Brenner für mich auch deshalb nicht, weil wir der Figur ja in jedem Film neue Herausforderungen geben.
 
Wie viel Josef Hader steckt in der Filmfigur des Simon Brenner drin?
Ich glaube, dass der Brenner ein sehr unangenehmer Interviewpartner wäre (lacht). Sehr wortkarg.  Er ist nicht so freundlich und quatscht auch nicht so viel daher wie ich.
 
Wieso ist dieser Detektiv Brenner eigentlich so ein mieselsüchtiger, aber zugleich sympathischer Mann?
Als ich beim ersten Film „Komm, süßer Tod“ zum Team kam, sagte ich Wolf Haas und Wolfgang Murnberger sofort, dass ich das Drehbuch dahingehend umschreiben möchte, dass der Brenner um die Hälfte weniger Text hat.  Nicht, weil ich ungern Text lerne. Ich dachte mir, dieser Mann muss so etwas Inwendiges haben, so etwas Wortloses und Insichgekehrtes. Ich mag die lakonischen Helden des Kinos. Mein Lieblingsfilm ist „French Connection“, wo Gene Hackman vorwiegend friert, sich ärgert und wenig redet. Ein zweiter Einfluss war Lino Ventura in den französischen Krimis, in denen er oft schlecht gelaunt herumsitzt und wenig passiert. Die beiden waren Vorbilder für den Brenner: Gene Hackman mit diesem Trotz und seiner Wut auf die Ungerechtigkeit der Welt. Und Lino Ventura für den Gemütszustand.
 
War Ihnen der Brenner aus den Romanen schon bekannt, bevor Sie das Angewbot bekamen, ihn zu spielen?
Nein. Ich bin kein Krimi-Leser. Ich bin nicht mehr so ein großer Bücherleser wie früher – doch wenn, dann greife ich zu richtig großen Romanen. Ich wurde erst durch die Drehbücher zum Wolf-Haas-Leser.  Weil er keine klassischen Krimis schreibt, sondern ungemein interessante, sprachlich ganz besondere Bücher. Er erzählt viel mehr über Menschen als das in den meisten Krimis üblich ist.
 
Mit Tobias Moretti, Nora von Waldstätten, Roland Düringer oder Johannes Silberschneider hat „Das ewige Leben“ – neben Ihnen – ein sehr starkes Ensemble.
Wir haben bei dieser Produktion sehr viel gecastet, weil wir uns über die Figuren unsicher waren. Doch über die, die mitspielen, kann man sagen:  Wir haben bei allen von ihnen im Moment des Castings gewusst, dass sie die richtigen sind. Die Schauspieler haben das Drehbuch zum Teil auch weiter inspiriert. Tobias Moretti zum Beispiel saß da – und wir wussten sofort viel mehr über das Gefühlsleben seiner Figur, des Polizeipräsidenten Aschenbrenner.  Ähnlich war es mit Nora von Waldstätten. Plötzlich wussten wir, dass die Psychotherapeutin, die sie spielt, auch witzig ist. Und erstaunlich schrullig, für einen so jungen Menschen.  Bei Roland Düringers Figur war uns wichtig, dass er so ein bissl eine Krätz’n ist. Ein Mann, der extrem lästig werden kann.  Roland ist in meinen Augen ein wirklich guter Charakterdarsteller.
 
Sie alle sprechen in „Das ewige Leben“ sehr starken Dialekt. So sehr, dass es in Deutschland Verständigungsprobleme geben könnte. War das Absicht?
Wir haben zusätzlich eine zweite Sprachfassung erstellt, in der wir das Österreichische ein wenig deutlicher sprechen und weniger nuscheln. Die wird dann in Deutschland verwendet.  Das geschah im Synchronstudio. Da haben wir ein paar Dinge, die für Nicht-Österreicher schwer verständlich sind, nachsynchronisiert.
 
Sind Sie, als erfolgreicher Kabarettist, in die Filmerei hineingerutscht – oder war das Absicht?
Der Auslöser war die Verfilmung unseres Stücks „Indien“ mit Alfred Dorfer und mir. Der junge Regisseur Paul Harather kam zum Fredi und zu mir und sagte, er wolle das verfilmen. Dann schrieben wir gemeinsam das Skript, drehten den Film – und plötzlich waren wir Filmschauspieler und Drehbuchautoren.  Das war Glück. Ohne „Indien“ wäre niemand auf die Idee gekommen, dass wir in Filmen irgendetwas verloren haben.
 
Wird es nach „Das ewige Leben“ einen weiteren Brenner-Film geben?
Das können wir derzeit noch nicht sagen. Wenn „Das ewige Leben“ halbwegs erfolgreich wird, bekommen wir wohl wieder eine Chance.  Dann müssen wir uns in zwei oder drei Jahren zusammensetzen – wenn wir die Erinnerung an die Schwierigkeiten dieses Drehs hinter uns gelassen haben. Man muss wie nach einer schweren Geburt eine gewisse Zeit verstreichen lassen, um dann zu sehen, ob wir doch wieder bereit sind.
 
Wie meinen Sie das?
Es war extrem mühsam, „Das ewige Leben“ zu drehen.  Fast eine Zumutung. Die Stimmung im Team  war extrem harmonisch – doch es ist so schwierig, einen Film dieser Größenordnung mit einem österreichischen Budget zu realisieren.  Das ist quasi ein Raubbau. Der Film hat ein Budget von, ich glaube, knapp drei Millionen Euro. Dieses Geld konnten wir in Österreich nicht aufstellen, also kam ein deutscher Partner hinzu, was aber bedeutete, dass wir für verschiedene Szenen nach Deutschland gehen mussten. Wir hatten sehr große, aufwändige Sequenzen: Etwa die Verfolgungsjagd im Tunnel oder den Dreh auf dem Grazer Schlossberg. Es war sehr wenig Geld da und die Drehzeit wurde dadurch extrem zusammengestaucht. In der Form wollen wir uns das nicht mehr antun. Wir brauchen eine Abwicklung, bei der nicht jeder am Zahnfleisch geht.
 
Wie könnte das funktionieren?
Vielleicht überlegen wir uns beim nächsten Mal, einen kleineren Film zu machen, der nicht so komplizierte Sets hat. Wir könnten auf etwas von dem Klimbim verzichten – obwohl der Klimbim sehr schön aussieht. Mal schauen.



Kritik
Das ewige Leben
Josef Hader muss in „Das ewige Leben“, der vierten Verfilmung eines Wolf-Haas-Krimis, in eigener Sache ermitteln. Sein Detektiv Brenner überlebt einen Kopfschuss – und will nun mit aller Macht herausfinden, was da los war.     Mehr...