GESAMTEINDRUCK: Das Familiendrama „Wildlife“ ist die brillant gelungene Verfilmung des Romans „Wild leben“ von Richard Ford mit Jake Gyllenhaal und Carey Mulligan.
DIE STORY: Montana, 1960. Der 14-jährige Joe Brinson (Ed Oxenbould), dessen Familie gerade ins Städtchen Great Falls gezogen ist, muss zuschauen, wie die Ehe seiner Eltern langsam zerbricht. Joes Vater Jerry (Jake Gyllenhaal) verliert seine Anstellung. Als er die Familie für längere Zeit verlässt, um bei der Bekämpfung eines großen Waldbrands zu helfen, übernimmt Joes Mutter Jeanette (Carey Mulligan) einen Job als Schwimmlehrerin – und beginnt ein Verhältnis mit einem ihrer Klienten, dem reichen Autohändler Warren Miller (Bill Camp). Wenn der Vater zurückkehrt, ist der Waldbrand gelöscht. Doch die Ehe von Jerry und Jeanette brennt lichterloh.
DIE STARS: Auf der Leinwand glänzen die Stars Jake Gyllenhaal („Brokeback Mountain“) und Carey Mulligan („Drive“) mit ungemein subtilem Spiel. Genauso bemerkenswert ist die Leistung von Paul Dano („There Will Be Blood“) und Zoe Kazan („Ruby Sparks"). Der Schauspieler Dano liefert ein glanzvolles Regiedebüt ab, bei dem er sich auf das Drehbuch seiner Lebensgefährtin Zoe Kazan stützt.
DIE KRITIK: „Wildlife“ ist einer der meistunterschätzten Filme des Jahres 2018. Obwohl das Drama nach den Festival-Premieren in Sundance, Toronto und Zürich mit Lob überschüttet wurde, blieb seine Verbreitung auf den Kern des Arthaus-Zirkels beschränkt. Dabei hätte es diese Literaturverfilmung nach Ansicht des Rezensenten verdient gehabt, im Oscar-Rennen eine wichtige Rolle zu spielen.
Auch der Filmstart im deutschsprachigen Raum findet in kleinem Rahmen statt (in Österreich etwa ist „Wildlife“ vorerst nur im Wiener Filmhaus-Kino zu sehen). Schade drum – doch es ist jede Mühe wert, auch eine längere Anfahrt auf sich zu nehmen. Man wird mit einem fesselnden und sensiblen Kammerspiel belohnt.
Der 75-jährige Richard Ford (man nannte ihn einmal den „besten Ford seit Henry“) gilt ja schon seit Dekaden als einer der führenden Literaten der USA. In seinem nun verfilmten Roman „Wildlife“ von 1990 zeigt der Autor exemplarisch, worauf sich sein Ruhm begründet. Er zeichnet mit Poesie und Präzision die Porträts einfacher Bürger aus der Provinz, die sich mit einem riesigen Koffer voller Sehnsüchte und Träume dem Leben stellen – und die lernen müssen, zu akzeptieren, dass von ihren hochfliegenden Plänen nur ein grauer Alltag übrig bleibt.
In Fords Büchern werden die Inhalte mehr durch die Schilderung von Stimmungen als durch Ereignisse transportiert (obwohl in ihnen, so auch in „Wildlife“, eine Menge passieren kann). Der 34-jährige Regie-Debütant Paul Dano hat es meisterlich verstanden, die von einem Grundgefühl der Melancholie durchzogenen Stimmungen auf die Leinwand zu bannen.
„Wildlife“ ist ein Film, der einen von Beginn zum Verbündeten dieser Kleinfamilie werden lässt, die so vieles erreichen möchte, um dann so nachhaltig zu scheitern. Neben der Sprache von Richard Ford und dem inszenatorischen Feingefühl von Paul Dano sind es vor allem die Schauspieler, die den Film zum Ereignis machen. Carey Mulligan und Jake Gyllenhaal loten die vielen Facetten ihrer Figuren bis ins winzigste Detail aus. Mit dem jungen Ed Oxenbould als Sohn Joe, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, haben sie einen kongenialen Partner.
IDEAL FÜR: Fans großer Arthaus-Filme und für die Lesergemeinde der Romane von Richard Ford.