DIE STORY: Die Musik-Doku „Whitney: Can I Be Me“ erzählt die Geschichte über den Aufstieg und Niedergang von Whitney Houston (1963 - 2012), die mit einer drei Oktaven umfassenden Stimme gesegnet war und zu einem der größten Popstars aller Zeiten wurde (170 Millionen verkaufte Tonträger; 411 Auszeichnungen von der Goldenen Schallplatte bis zum Grammy).
Der Film, zu dem der Wiener Regisseur Rudi Dolezal ausgiebiges Videomaterial von der Whitney-Welttournee 1999 beiträgt, ist reich an Interviews mit einstigen Wegbegleitern Whitney Houstons, die großteils vom britischen Regisseur Nick Broomfield geführt wurden. Whitney Houston kommt hauptsächlich auf der Bühne sowie im Backstage-Bereich der Musikarenen ins Bild. Ein ausführliches Interview mit ihr bietet der Film nicht.
DIE STARS: Whitney Houston ist nach Amy Winehouse und Janis Joplin die dritte Pop- und Rock-Diva in kurzer Zeit, deren tragisch endendes Leben mit einer Filmbiografie beleuchtet wird.
Regisseur Nick Broomfield, London, trat mit Dokumentationen wie „Heidi Fleiss: Hollywood Madam“ oder „Kurt And Courtney“ (über Rockstar Kurt Cobain und seine Frau) hervor. Rudi Dolezal, Wien, wurde ab 1976 gemeinsam mit Hannes Rossacher zu einem der weltweit gefragtesten Musikvideo-Regisseure. Besonders bekannt ist er für seine Arbeiten mit Freddie Mercury und Queen.
DIE KRITIK: „Fünf Jahre nach Whitney Houstons tragischem Tod enthüllt dieser Dokumentarfilm die wahren Hintergründe über den Absturz einer der größten Sängerinnen aller Zeiten“, heißt es in einem offiziellen Text der Macher von „Whitney: Can I Be Me“.
Damit ist die Richtung klar. Der Film kümmert sich erst in zweiter Linie um Whitney Houston als Künstlerin. Viel wichtiger sind ihm die Krisen, Familien- und Ehekonflikte, die dazu geführt haben mögen, dass Whitney allzu früh den Drogentod starb.
Zum Glück gibt es aber auch Musik. Man bekommt noch einmal die unfassbare Qualität der Sängerin Whitney Houston zu spüren. Die Leichtigkeit, mit der sie ein Massenpublikum in ihren Bann zog, als würde sie in einer intimen Bar auftreten.
Der Wermutstropfen dabei: Ein Großteil des Konzert- und Tourneematerials stammt aus dem Jahr 1999. Rudi Dolezal ließ Videokameras mitlaufen, die damals gewiss den Stand der Technik repräsentierten. Heute sehen diese Aufnahmen nicht wie von gestern, sondern wie von vorgestern aus. Auf dem TV-Gerät mögen die unscharfen und verrauschten Bilder noch erträglich sein; nicht zuletzt wegen ihres hohen dokumentarischen Werts. Auf einer riesigen Kinoleinwand werden die technischen Schwächen dieses Materials allerdings gnadenlos offengelegt.
Die aktuellen Interviews, die Leben und Werk von Whitney Houston erhellen sollen, sind gestochen scharf gefilmt. Allerdings werden sie nur jene Zuschauer fesseln, die vor allem an Klatsch und Tratsch interessiert sind - an Whitneys schwieriger Ehe mit Bobby Brown, an den Konflikten mit Mutter und Vater sowie am unglücklichen Leben ihrer früh verstorbenen Tochter Bobbi Kristina,
Über die Kunst der Sängerin hat der Film erstaunlich wenig zu sagen. Man erfährt nie, welche Intentionen Whitney mit ihrer Musik verfolgte (außer dem im Titel genannten Wunsch „Can I Be Me“). Warum sich diese herausragende Soul- und R&B-Sängerin zum Beispiel so bereitwillig einen glattgebürsteten, „weißen“ Sound verpassen ließ (für den sie dann von Teilen des schwarzen Publikums verachtet wurde), das bleibt ungeklärt.
So wirkt der reißerische Film ähnlich glatt und oberflächlich wie viele der Pop-Songs von Whitney Houston, die das überragende Talent dieses Stimmwunders nur erahnen ließen.
IDEAL FÜR: Pop-Fans, die mehr an den privaten Krisen Whitney Houstons interessiert sind als an ihrer Musik.