Vor uns das Meer

Eine Geschichte vom großen Scheitern


FilmClicks:
Ist da jemand? Donald Crowhurst (Colin Firth) ist in „Vor uns das Meer“ allein auf hoher See © Studiocanal
GESAMTEINDRUCK: „Vor uns das Meer“ ist die verblüffend blasse Verfilmung einer wahren Geschichte. Der Versuch eines britischen Amateurseglers, mit einer Yacht allein die Welt zu umrunden, endete tödlich.
 
DIE STORY: England, 1968. Der Hobbysegler Donald Crowhurst (Colin Firth) ist in „Vor uns das Meer“ elektrisiert, als die Sunday Times jenem Sportler 5.000 Pfund verspricht, der als schnellster allein die Welt umsegelt. Der dreifache Vater geht trotz schwerer Bedenken seiner Frau (Rachel Weisz) und anderer Berater an den Start. Doch der Törn steht unter einem schlechten Stern. Weit zurückliegend, entscheidet sich Crowhurst, eine stark verkürzte Route zu fahren – und er ahnt, dass man ihn als Lügner entlarven wird. Irgendwann ist das Boot verschollen. Als es in der Karibik gefunden wird, ist es leer: Unfall oder Suizid?

Donald Crowhurst (Colin Firth) mit PR-Berater Rodney Hallworth (David Thewlis) © Studiocanal

DIE STARS: Das Filmprojekt „Vor uns das Meer“ läuft mit geballter britischer Oscar-Power vom Stapel. Regisseur James Marsh („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) gewann 2009 einen Academy Award für die Doku „Man On Wire“. Hauptdarsteller Colin Firth wurde für „The King’s Speech“ ausgezeichnet; seine Film-Gemahlin Rachel Weisz (im wirklichen Leben Ehefrau von Daniel Craig) für den LeCarré-Thriller „Der ewige Gärtner“.

Wo bleibt der Ehemann? Clare Crowhurst (Rachel Weisz) mit ihren Kindern © Studiocanal

DIE KRITIK: Aus London kamen in den letzten Monaten zwei große Filme – das Weltkriegs-Drama „Dunkirk“ und die Churchill-Biografie „Die dunkelste Stunde“ –, die man mit etwas gutem Willen als Aufmunterung zum Brexit interpretieren konnte. Beide sangen das Hohe Lied vom wunderbaren Großbritannien, das dann am stärksten ist, wenn es sich auf seine eigenen Kräfte und Talente verlässt.
Die Seefahrer-Story „Vor uns das Meer“ ist nun, könnte man mit etwas bösem Willen sagen, das genaue Gegenteil. Hier schaut man einem träumerischen Briten zu, der sich ohne viel Sachverstand und ohne Risiko-Abwägung in eine Harakiri-Unternehmung stürzt. Der auf halbem Wege erkennt, dass er sein Ziel niemals erreichen wird. Und der schließlich zu unlauteren Mitteln greift, um sich in seiner ausweglosen Situation einen Vorteil zu verschaffen. Doch gleichzeitig stellt er fest – allein in der Welt und von schlechtem Gewissen geplagt –, dass er allmählich den Verstand verliert.
Es ist nun kaum anzunehmen, dass Regisseur James Marsh bei „Vor uns das Meer“ eine Parabel über die möglicherweise fatalen Folgen des Brexit im Sinn hatte. Er inszenierte die Geschichte als einen „klassischen Fall von Selbstüberschätzung.“ Daraus kann man zweifellos einen fesselnden Film machen. „Vor uns das Meer“ ist aber kein fesselnder Film geworden.
Zu Beginn ermüdet das Drama mit papierenen Dialogen, die (zumindest in der deutschen Synchronfassung)  in krassem Gegensatz stehen zu den Themen von Wagemut, Leben und Tod, die auf der Leinwand verhandelt werden.
Wenn es dann auf See geht, stellt sich rasch heraus, dass James Marsh weder die Magie noch die Gefahren des Segelns in packende Bilder umzusetzen vermag. Im Vergleich zu anderen Segler-Dramen wie etwa J. C. Chandors „All Is Lost“ (mit Robert Redford) schaut „Vor uns das Meer“ sehr ärmlich aus.
Der Regisseur zeigt seinen Hauptdarsteller am liebsten unter Deck (wo man das Meer nicht sehen kann). Die einzige wirklich dramatische Sturmszene ist kaum mehr als eine Minute lang. Und generell werden die Sequenzen auf See ständig durch Rückblenden durchbrochen, in denen der einsame Seefahrer wehmütig an Frau und Kinder denkt.
Schwache Dialoge, eine kraftlose Optik und eine holprige Dramaturgie: Der wunderbare Charakterdarsteller Colin Firth hat es in diesem Umfeld schwer, zu glänzen. Ähnlich ergeht es Rachel Weisz, die sich darauf beschränken muss, mit sorgenvollem Blick die liebende und leidende Ehefrau und Mutter auf die Leinwand zu stellen.
So ist „Vor uns das Meer“ unterm Strich trotz einer spannenden Grundsituation ein enttäuschender Film geworden – weder Abenteuer noch Drama mit tieferer Bedeutung. Man nimmt höchstens die Ahnung mit, dass es beim Brexit in London genauso chaotisch zugehen könnte wie auf der zerbeulten und angeschlagenen Yacht des Seglers Donald Crowhurst.
 
IDEAL FÜR: Freunde von Ozean-Filmen, die in diesem Fall allerdings keine sehr hohen Ansprüche stellen dürfen.  






Trailer
LÄNGE: 103 min
PRODUKTION: Großbritannien 2017
KINOSTART Ö: 30.03.2018
REGIE:  James Marsh
GENRE: Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Colin Firth: Donald Crowhurst
Rachel Weisz: Clare Crowhurst
David Thewlis: Rodney Hallworth
Simon McBurney: Francis Chichester