GESAMTEINDRUCK: Der Thriller „Verschwörung“ ist die Fortsetzung von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“: Packend inszeniertes Weltenretter-Kino, wie es auch einem James Bond gut zu Gesicht stehen würde.
DIE STORY: Die geniale Hackerin Lisbeth Salander erweitert in „Verschwörung“ ihr Tätigkeitsfeld von Schweden auf den ganzen Globus. Der Programmierer Frans Balder wendet sich mit einer dringenden Bitte an sie. Seine Erfindung – ein Programm, das die Kontrolle fast aller Nuklearwaffen der Welt ermöglicht – hat er einst an die Amerikaner verkauft. Nun plagen ihn Gewissensbisse. Er will den Code zurück. Kurze Zeit später ist er tot. Und Lisbeth Salander muss mit Balders autistischem Sohn versuchen, das Programm unschädlich zu machen. Aber plötzlich scheinen sehr viele Seiten – Regierungen, Geheimdienste und Schurken – Interesse daran zu haben.
DIE STARS: Es waren verdammt große Schuhe, in welche die englische Schauspielerin Claire Foy („Aufbruch zum Mond“) da schlüpfen musste. Ihre Vorgängerinnen als Lisbeth Salander, die Schwedin Noomi Rapace und die Amerikanerin Rooney Mara, bekamen jeweils glänzende Kritiken. Claire Foy meistert die Aufgabe mit Bravour. Sie macht ihre Sache exzellent.
Schon als Königin in der Serie „The Crown“ war Claire Foy eine Meisterin des Minimalismus. Hier und da mal ein Zucken in ihrem Gesicht musste reichen, um ganze Gefühlswelten auszudrücken. Genau das bekommt sie auch in „Verschwörung“ wieder wunderbar hin. Ihre Lisbeth Salander redet nicht viel, denkt aber jede Menge. Sie leidet an dem, was ihr früher als Kind angetan wurde. Und das kann man in ihrem Gesicht ablesen.
Lisbeths neu in die Geschichte implantiertes Schurken-Schwestern-Gegenüber Camilla (gespielt von Sylvia Hoeks) darf/kann da nicht mithalten und bleibt sehr blass.
Sverrir Gudnason, der in „Borg /McEnroe“ den Tennis-Weltstar Björn Borg porträtierte, übernahm die Rolle von Lisbeth Salanders Partner Mikael Blomkvist. Die Luxemburgerin Vicky Krieps, die in „Der seidene Faden“ an der Seite von Daniel Day-Lewis brillierte, ist als „Millenium“-Verlegerin Erika Berger zu sehen.
DIE KRITIK: Natürlich darf man die Frage stellen, ob es einen Film wie „Verschwörung“ geben muss. Ob die Produktion nicht Verrat am Bestseller-Autor Stieg Larsson ist. Der den Kosmos um das Magazin „Millennium“ mit seinem Star-Reporter Mikael Blomkvist und der exzentrischen Hackerin Lisbeth Salander dereinst erfunden hat. Der den großen weltweiten Erfolg seiner Bücher aber nicht mehr erleben durfte. Weil er 2004 mit 50 Jahren an einem Herzinfarkt starb.
Was dann folgte, war ein Trauerspiel. Eines, das sich kein Autor dieser Welt drastischer hätte ausmalen können. Larssons Lebensgefährtin (und Mitautorin?) Eva Gabrielsson bekam nichts vom Erbe ausgezahlt, weil die beiden nicht verheiratet waren. Dafür hatte sie noch einen Laptop, auf dem Ideen bis zu Band 10 (so viele Bücher sollte die „Millennium“-Reihe mal umfassen) vermerkt waren. Diese Ideen kamen aber nicht zum Einsatz, als der Bestseller-Autor David Lagercrantz von Larssons Familie den Zuschlag bekam, die Saga weiterzuschreiben.
„Verschwörung“ ist somit der vierte Teil der Reihe und der erste, den Lagercrantz verfasst hat. Wie also soll man mit so einem Film nun umgehen? Jeder, der ihn boykottiert, ist auf der moralisch sauberen Seite. Auf der anderen Seite verpasst man aber auch einen sauber inszenierten Krimi.
Der uruguayanische Regisseur Fede Alvarez („Don`t Breathe“) nimmt das Buch von Lagercrantz nur als lockeren Aufhänger für seinen Thriller. Man muss also nichts von Lisbeth Salander und ihrer schlimmen Kindheit wissen, um diesen Film verstehen zu können. Für Neulinge bietet es sich sogar an, „Verschwörung“ als Einstieg in die „Millenium“-Reihe zu sehen und dann entweder die Bücher von Stieg Larsson zu lesen oder die exzellent geratenen schwedischen Filme der ersten drei Folgen zu schauen. Da kann man dann tiefer in das Trauma der Lisbeth Salander eintauchen.
In „Verschwörung“ erfährt man zu Beginn in einer edel gefilmten Rückblende nur, dass Lisbeth einen schrecklichen Vater hatte, vor dem sie aus einem Turm flüchtete, indem sie in eine Schneelandschaft sprang. Ihre Schwester hingegen traute sich das nicht. Erst Jahre später stehen die beiden einander wieder gegenüber.
„Verschwörung“ ist schnörkellos inszeniert. Auch das kann man dem Film vorwerfen, wenn man denn weiß, welches ausufernde Sittengemälde in dem „Millenium“-Material steckt. Aber das hat das Team um Regisseur Alvarez konsequent beiseitegeschoben und einen Kern herausgearbeitet, der heißt: „Leg' dich nicht mit Lisbeth an!“
Denn wenn Lisbeth Salander einmal einen Auftrag akzeptiert, dann tut sie restlos und rastlos alles, um ihn auch zu erfüllen. Und das bedeutet, dass sie beim Konflikt um das potenziell todbringende Waffen-Computerprogramm ständig um ihr Leben kämpfen muss. Dass sie mit rasender Geschwindigkeit auf ihrem Motorrad durchs eiskalte Berlin (da wurde zu großen Teilen gedreht) rast - natürlich in stylisher nachtschwarzer Kluft. Dass sie beinahe jeden Gegner effizient erledigt. Und dass sie im Finale auch das Lügen-Gebäude ihrer Gegner – interessanterweise hauptsächlich von Frauen errichtet – zum Einsturz bringt.
Ja, diese Lisbeth Salander geht in „Verschwörung“ in Richtung Unbesiegbarkeit. Aber zum Glück wird sie von Claire Foy mit so vielen Zweifeln und Unsicherheiten gespielt, dass das ganz große Helden-Epos ausbleibt.
IDEAL FÜR: Fans von gut erzählten Thrillern mit starken Frauen in der Hauptrolle.