DIE STORY: Das Road Movie „Tour de France“ erzählt nicht die Geschichte einer Radrundfahrt, sondern jene einer Frankreich-Reise der ungewöhnlichen Art.
Der Plot: Der junge Rapper Far’Hook (Sadek) fühlt sich nach einem Streit mit einem Konkurrenten nicht mehr sicher in Paris. Sein Produzent Bilal (Nicolas Marétheu) rät ihm, bis zu einem geplanten Konzert unterzutauchen. Der Konvertit Bilal, der aus einem christlichen Elternhaus stammt, hat auch gleich einen Tipp parat: Sein Vater Serge (Gérard Depardieu), Pensionist und Hobbymaler, plant einen Kunst-Trip durch Frankreich. Far`Hook soll Serge fahren und ihm beim Transport der Mal-Utensilien helfen.
Der Rapper willigt ein. Zu Beginn der Reise herrscht freilich feindselige Stimmung im Auto; ausgelöst durch den übellaunigen Serge, der allen Muslimen sehr skeptisch gegenüber steht – auch jenen, die in Frankreich geboren sind und einen französischen Pass haben.
Doch je länger die Fahrt dauert, umso lockerer wird der Alte. Langsam keimt Freundschaft zwischen den beiden Reisenden.
DIE STARS: Gérard Depardieu, in jeder Hinsicht Frankreichs Schauspiel-Gigant, ist auf der Website IMDb mit insgesamt 226 Rollen gelistet. „Tour de France“ ist einer der zahlreichen Filme, die von seiner Leidenschaft für das Arthaus-Kino zeugen. Sein Filmpartner Sadek, ein aufstrebender Rapper der französischen Szene, stand für „Tour de France“ zum ersten Mal vor der Kamera.
Regisseur Rachid Djaidani ist ein Boxer, Schauspieler, und Romanautor, der mit „Tour de France“ seinen zweiten Film inszenierte. Wie schon bei seinem Erstling „Rengaine“ fand die Weltpremiere beim Festival Cannes statt.
DIE KRITIK: Es beginnt mit Musik, einem Streit, einem Flirt und ein paar Schüssen in Paris. Es endet mit einer Erkenntnis: „Nichts trennt uns – man hat uns getrennt.“ Dazwischen liegen 90 packende Filmminuten, in denen eines der großen europäischen Konfliktthemen – die Auseinandersetzung zwischen der christlich und der islamisch geprägten Welt – von zwei Männern diskutiert wird.
Obendrein geht’s auch noch um Jung und Alt, um Väter und Söhne, um Musik und Malerei und um die Liebe: Regisseur Rachid Djaidani hat genug Themen in seinen Film gepackt, um eine ganze Serie damit zu füllen.
Das Wundersame an dieser Frankreich-Fahrt mit einem knatternden alten Lieferwagen (der als einziges Wesen in der Geschichte irgendwann seinen Geist aufgibt) ist die Tatsache, dass der Film niemals überladen wirkt. Die vielen Themen werden in bekömmlichen Portionen serviert, die genug Raum für kluge Gedanken lassen. Die Mischung stimmt: „Tour de France“ ist weder ein kopflastiger noch ein oberflächlicher Film geworden.
Dazu ist einerseits dem Regisseur Djaidani zu gratulieren, der seinen Film auf der These aufbaut, dass die Leute einander verstehen, wenn sie miteinander reden anstatt feindliche Positionen aufzubauen.
Doch das Gelingen des Werks ist auch dem sehr ungleichen Gespann von Gérard Depardieu und seinem jungen Filmpartner Sadek zu danken: Die Chemie zwischen dem Superstar und dem Neuling stimmt – ganz egal, ob sie einander zu Beginn auf typisch französische Weise angranteln oder ob sie dann später erstaunt feststellen, dass sie längst zu ziemlich besten Freunden werden.
So ist „Tour de France“ ein feiner und mitreißender Film geworden, der eine Vielzahl von Positionen über das (Zusammen-)Leben in der Welt von heute absteckt und der viele Lösungen anbietet, wie der Brückenbau gelingen kann. Dass obendrein noch rauer Rap und klassische Malerei den Film garnieren, ist eine attraktive Veredelung des Werks. Die obendrein ziemlich witzig werden kann: Wenn Gérard Depardieu Frankreichs Nationalhymne, die „Marseillaise“, in einer Rap-Version vorträgt, dann schlackert man vor Vergnügen mit den Ohren.
IDEAL FÜR: Freunde des französischen Films und für Zeitgenossen, die über das multikulturelle Miteinander nachdenken.