DIE STORY: „The Revenant – Der Rückkehrer“ ist ein großes Western-Drama der unversöhnlichen Art. Leonardo DiCaprio spielt den Trapper Hugh Glass, der mit einer Gruppe von Jägern im Tal des Missouri unterwegs ist. Bei der Attacke eines Grizzly-Bären wird Glass schwerstens verletzt.
Seine Kumpane ziehen weiter, weil sie nicht glauben, dass Glass durchkommen kann. Nur zwei Männer bleiben – gegen gutes Honorar – als Sterbebegleiter zurück. Doch einer der beiden, John Fitzgerald (Tom Hardy), mag nicht abwarten, bis der Verletzte stirbt. Gemeinsam mit dem jungen Jim Bridger (Will Poulter) lässt er Glass in der klirrenden Kälte des Winters zurück. Ohne Nahrung, ohne Waffen – und ohne Glass‘ Sohn Hawk, der im Kampf mit Fitzgerald ums Leben kam.
Doch Glass überlebt. Mit einem gebrochenen Bein und tiefen Wunden versucht er das Unmögliche: Durch die wilde Winterwelt, in der ihm Raubtiere genauso gefährlich werden können wie kriegerische Indianer, sucht er den Weg zurück in die Zivilisation. Sein Antriebsmittel: Der Durst nach Rache. Glass will Vergeltung für das, was ihm sein einstiger Freund Fitzgerald angetan hat.
DIE STARS: Leonardo DiCaprio, dessen Vorliebe für außergewöhnliche Rollen nichts Neues mehr ist, könnte für den Part des Trappers Hugh Glass seine sechste Oscar-Nominierung bekommen. Tom Hardy, der Glass‘ Kontrahenten Fitzgerald spielt, erntete 2015 für „Mad Max Fury Road“ begeisterte Kritiken. Gleichzeitig zu „The Revenant“ ist er im Kino jetzt auch mit dem Gangster-Drama „Legend“ am Start.
Regisseur Alejandro González Iñárritu („21 Gramm“, „Babel“) war der große Triumphator im Oscar-Rennen 2015. Für seine groteske Kunst-Komödie „Birdman“ sammelte er gleich drei Academy Awards ein.
DIE KRITIK: „The Revenant“ ist nicht nur ein gewalttätiger, sondern auch ein gewaltiger Film. Der Western entstand im Winter 2015 fast ausschließlich an (abgelegenen) Originalschauplätzen und ohne künstliches Licht. Das bedeutet, dass die Darsteller und das Team an kurzen Wintertagen bei grimmiger Kälte hinaus in die Natur gejagt wurden, wo riesige Herausforderungen auf sie warteten – zum Beispiel Wasserszenen in eisigen Flüssen. Die Atmosphäre am Set soll alles andere als harmonisch gewesen sein.
Von den Disputen hinter den Kulissen merkt man im fertigen Film natürlich nichts. Die Bilder sind überwältigend. Kameramann Emmanuel Lubezki (auch er ein zweifacher Oscar-Preisträger) bringt eine archaische Natur auf die Leinwand, voll wilder Schönheit und großer Gefahren. Wer dort überleben will, muss ein Kämpfer sein.
Und Kämpfer sind sie praktisch alle, die in dieser Geschichte auftreten, die auf wahren Begebenheiten beruht. Der Film beginnt mit einem Überfall von Indianern auf die Jäger, der zu einem Gemetzel ausartet. Zwar haben die Angreifer keine Schusswaffen, aber etliche der Weißen werden durch ihre Pfeile dahingestreckt. Die Trapper flüchten mit dem Boot, das sie in diese Wildnis gebracht hat. Und als sie wieder an Land gehen, wartet zwar kein neuer Indianer-Angriff. Dafür aber die Attacke des mächtigen Grizzly, der Hugh Glass /Leonardo DiCaprio so fürchterlich zurichtet. Auch diese Szene ist – bei allem Schrecken – furios gefilmt.
„The Revenant“ ist also ein Film über eine feindliche Natur und über kriegerische Menschen, die den Finger stets nahe am Abzug (oder an tödlichen Pfeilen) haben. Man kann den Kampf zwischen Indianern und Weißen als Zivilisationskritik deuten: Regisseur Alejandro González Iñárritu lässt keinen Zweifel daran, wer hier die Landbesitzer sind und wer die Eroberer.
Doch bald konzentriert sich das Drama auf sein wichtigstes Thema: Die Rache. Man begleitet Leonardo DiCaprio, wie er einsam durch die Schneewüste humpelt; hungrig auf jede Wurzel und jedes Stückchen Fleisch – aber auch auf die Revanche an diesem Fitzgerald, der seinen Sohn tötete und ihn wehrlos in der Wildnis zurückließ.
DiCaprios Spiel ist höchst eindrucksvoll, und doch hätte es eine gewisse Ironie, sollte er gerade für „The Revenant“ seinen ersten Oscar gewinnen. Denn als großer Charakterdarsteller ist er in diesem über lange Zeit fast stummen Part kaum gefragt – es wären seine physischen Leistungen, die gewürdigt würden.
Wie nicht anders zu erwarten, spitzt sich die Story irgendwann auf einen Showdown zwischen Hugh Glass und John Fitzgerald zu (Tom Hardy spielt den bösen Mann mit Gier und eisenharter Brutalität). Und da verliert der Film trotz aller Gewalt rasant an Intensität. Denn die Konzentration aufs Rachethema ist verdammt eindimensional – da gibt es keine Erkenntnisse und auch keinen Diskussionsstoff, den man aus dem Kino mit nach Hause nehmen könnte.
So ist „The Revenant“ ein Film zum Staunen geworden, über die tollen Bilder und den puren Willen, so ein Projekt auf die Leinwand zu stemmen. Aber emotional berührend ist das Drama mit seiner schlicht gestrickten Handlung nicht. Da bleibt der Film so kalt wie der Schnee in Missouri.
IDEAL FÜR: DiCaprio-Fans, Hardy-Fans, Iñárritu-Fans und Western-Fans, die es in jene Kino-Welten zieht, wo ein Mann noch ein Mann ist und das tut, was ein Mann tun muss.