GESAMTEINDRUCK: Das Thriller-Drama „The Mule“ ist ein souveränes Alterswerk von Clint Eastwood, dem die Herzen des Publikums zufliegen, auch wenn er als Drogenkurier der Kartelle einer verwerflichen Tätigkeit nachgeht.
DIE STORY: Der 90-jährige Gärtnerei-Besitzer Earl Stone (Clint Eastwood) steht vor dem Bankrott – finanziell, aber auch familiär, wo er ein denkbar schlechtes Verhältnis zu Ex-Frau (Dianne Wiest) und Tochter (Alison Eastwood) hat. Als man ihm anbietet, mit seinem rostigen Pickup Botendienste zu übernehmen, sagt er zu – und erkennt rasch, dass er nun im Sold der Drogenmafia steht. Trotzdem unternimmt er eine Fahrt nach der anderen und freut sich über die hohen Honorare, die er einstreift. Aber die Drogenfahnder der DEA (Laurence Fishbourne, Bradley Cooper und Michael Pena) machen sich auf die Suche nach dem alten Mann.
DIE STARS: Für Hollywood-Grandseigneur Clint Eastwood, 88, ist der Ruhestand ein Fremdwort: „The Mule“ ist der sechzehnte Film seit 2000, den er inszeniert, und der erste seit „Gran Torino“ (2008), in dem er die Hauptrolle spielt.
Eastwood meistert die Mehrfachbelastung (Produzent ist er auch noch) mit Bravour, wobei ihm ein Elite-Ensemble zur Seite steht. Mit Bradley Cooper, Dianne Wiest, Laurence Fishbourne, Michael Pena und Andy Garcia sind ausnahmslos prominente Darsteller im Einsatz. Interessant ist die Tatsache, dass Eastwood die Rolle der entfremdeten Tochter seiner Filmfigur mit seiner eigenen Tochter Alison besetzte.
DIE KRITIK: Clint Eastwood dokumentiert mit „The Mule“ wieder einmal, warum er zu den ewigen Legenden der Filmwelt zählt. Hatten einige seiner letzten Produktionen einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen (etwa das Terror-Dokudrama „The 15:17 To Paris“ oder das Scharfschützen-Porträt „The Sniper“), so zeigt er sich in dem neuen Drogenkrimi auf der vollen Höhe seines Schaffens.
Dies gelingt ihm mit einem abgeklärten Inszenierungs-Stil, in dem winzige Andeutungen reichen, um große Spannung krimineller wie zwischenmenschlicher Natur zu erzeugen. Und mit einer melancholischen Spielweise, dank der er es schafft, aus einem kriminellen alten Zausel einen Sympathieträger zu machen.
Wenn er als Earl Stone zum ersten Mal bei den neuen Auftraggebern vorfährt, steht er schwerbewaffneten Jungs gegenüber, die ihm außer Drogen auch Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg geben. Spätestens da ist ihm klar, worauf er sich eingelassen hat. Doch Earl übernimmt den Job. Und wenn er sich dann hinter das Steuer seiner Rostlaube klemmt, stellt man als Zuschauer verblüfft fest, dass man ihm alles Gute für seine Mission wünscht. Auch dann, wenn man für Drogen und deren Erzeuger keinerlei positive Gefühle hegt.
Aber das ist halt hohe Schauspielkunst: Clint Eastwood hat seinen Earl zu diesem Zeitpunkt schon längst als altes Ekel skizziert; als ewigen Hallodri, der mit rauem Charme nur notdürftig die Tatsache übertüncht, dass er im Umgang mit anderen Menschen (vor allem mit seiner Familie) schwere Defizite aufweist.
Trotzdem mag man diesen Mann, der auch im hohen Alter noch hochaktiv ist. Der mit ungebrochen neugierigem Blick aufs Leben schaut – und der sich freut, wenn er sich dank seines neuen Jobs auch ein neues Auto leisten kann.
Über weite Strecken des Films schaut man Earl alias Clint nur dabei zu, wie er allein mit seiner heißen Fracht über die amerikanischen Highways fährt. Und man registriert mit einem Grinsen, dass diese wahrlich undramatische Bilderflut dazu ausreicht, um ein gewisses Kribbeln zu erzeugen.
Denn der Regisseur Eastwood lässt anklingen, dass der Schauspieler Eastwood ständig in Gefahr schwebt. Einerseits haben seine Auftraggeber stets das Schießeisen bei der Hand. Und andererseits findet man es bei der Drug Enforcement Administration, der DEA, gar nicht gut, dass da jetzt gerüchtweise ein unauffälliger alter Mann große Drogenmengen nach Chicago liefern soll.
Laurence Fishbourne, Bradley Cooper und Michael Pena spielen mit entschlossener Routine die Drogen-Cops, die bald die Spur des Drogenboten aufnehmen. Bis sie ihm näher kommen, nutzt der Film aber die Zeit, das Porträt der Hauptfigur zu vollenden. Earl Stone bekommt in diesem Road Movie die Chance, zu den positiven Seiten seiner Persönlichkeit zurückzufinden. Die Zeichen stehen auf Versöhnung – mit sich selbst, aber auch mit seiner Familie.
So ist „The Mule“ (der Film basiert auf einer wahren Geschichte) ein wunderbares kleines Thriller-Drama der besonderen Art geworden. Ein Thriller, in dem die kriminelle Energie den Täter zurück zu seinen moralischen Wurzeln geleitet. Meisterlich.
IDEAL FÜR: Alle Fans von Clint Eastwood.