GESAMTEINDRUCK: „The Kitchen“ ist ein GangsterInnen-Drama mit ein paar Schwächen und zwei großen Stärken: Man bekommt authentisch vermittelt, welch gefährliches Pflaster New York noch vor 40 Jahren war. Und man erlebt, wie bravourös die Komödiantin Melissa McCarthy eine ernste Rolle meistert.
DIE STORY: New York 1978. Das heruntergekommene Stadtviertel Hell’s Kitchen in Manhattan wird von der irischen Mafia kontrolliert. Als drei der Gangster zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, wollen ihre Ehefrauen das Feld nicht anderen Männern aus der Organisation überlassen. Die resoluten Damen Kathy (Melissa McCarthy), Ruby (Tiffany Haddish) und Claire (Elisabeth Moss) nehmen das Heft selbst in die Hand. Bald gehört ihnen das Viertel: Weil sie sich mit italienischen Mafiosi verbünden – und weil sie zu brutalen Mitteln greifen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
DIE STARS: Melissa McCarthy, schon zwei Mal für den Oscar nominiert, zählt mit Hits wie „Brautalarm“ oder „Spy – Susan Cooper Undercover“ zu den populärsten Komödiantinnen des Hollywood-Kinos. Auch die Kalifornierin Tiffany Haddish kommt von der Komödie. Sie schaffte den Durchbruch mit dem grellen Filmspaß „Girls Trip“ (2017). Elisabeth Moss wurde mit Serien wie „West Wing“ oder „Mad Men“ zum TV-Star, bevor sie mit Filmen wie „The Square“ (Goldene Palme 2017) den Sprung zum Arthaus-Kino antrat.
Das Drehbuch zu „The Kitchen“ basiert auf einer Graphic Novel und stammt von Andrea Berloff, die 2016 für das Script zum Hip-Hop-Drama „Straight Outta Compton“ eine Oscar-Nominierung erhielt. Bei „The Kitchen“ führt Berloff erstmal Regie.
Die Männer sind in dem von Frauen beherrschten Film auf Nebenrollen reduziert – mit Ausnahme vielleicht von Domhnall Gleeson („The Revenant“), der als Lover von Elisabeth Moss‘ Claire das erotische Feuer und die kriminelle Energie seiner Partnerin so richtig entfacht.
DIE KRITIK: Hell’s Kitchen – das Areal in Midtown Manhattan zwischen Hudson River und 8th Avenue – zählt heute zu den pulsierenden Stadtvierteln von New York, und zu den begehrten Wohnlagen noch dazu.
Wer diese Gegend heute durchstreift, mag kaum glauben, dass es dort vor 40 Jahren so aussah wie im Krimi „The Kitchen“: Fast wie in einem Slum, mit bröckelnden Fassaden, zerbeulten Autos und armselig gekleideten Menschen, von denen etliche mangels anderer Jobs für die irische Mafia arbeiteten.
Für New-York-Fans ist allein schon dieser akkurate Blick auf eine Zeit das Kinoticket wert, in welcher der Big Apple nicht glänzte, sondern ein „rauer, gefährlicher Bastard“ (
Der Tagesanzeiger) war. Bedrohungen lauerten über und unter der Erde: Es brauchte Überwindung, um damals in die dreckigen, mit Grafitti zugemüllten U-Bahn-Garnituren zu steigen, die ebenfalls im Film gezeigt werden.
Der zweite Grund, der für einen Besuch von „The Kitchen“ spricht, ist bei den drei Hauptdarstellerinnen zu finden, allen voran Melissa McCarthy. Die Komödiantin, die in ihren Lustspielen gern grell auf die Tube drückt, hat diesmal ihr Lachen in der Garderobe gelassen. Energisch und entschlossen spielt sie eine durchschlagskräftige Frau und Mutter, die ihre berufliche Zukunft nicht als Mafiabraut, sondern als Clan-Chefin sieht. Und die couragiert ihren Weg geht, wobei sie in der Wahl ihrer kriminellen Mittel nicht zimperlich ist. Die Rolle der Kathy ist ein wichtiger Schritt für Melissa McCarthy auf ihrem Pfad zur Charakterdarstellerin.
Auch Tiffany Haddish, das Glamour Girl im Damen-Trio, und Elisabeth Moss, deren Claire einen Sprung vom ewigen Opfer zur Täterin macht, agieren stark. Gemeinsam tragen die Drei einen Mafia-Film, der manchmal wie ein Tatsachenbericht aus einer vergangenen Ära wirkt, aber auf einem Comic aus dem Verlagshaus DC basiert.
Die Inszenierung von Andrea Berloff zeigt allerdings keine klare Linie, sondern wackelt recht unentschlossen herum. Stark ist der Film in der Darstellung der Atmosphäre der Siebziger Jahre – schwach hingegen, wenn es um die Positionierung der Hauptfiguren geht. Einerseits stehen Kathy, Ruby und Claire stets im Zentrum des Geschehens und sind damit so etwas wie die Heldinnen. Andererseits begehen sie aber schwere Verbrechen –, von der Schutzgeld-Erpressung bis zum vorsätzlichen Mord – die definitiv keinerlei Spuren von Heldenhaftigkeit an sich haben.
Als Frauenpower-Drama ist „The Kitchen“ somit denkbar ungeeignet. Als Thriller zeigt der Film ebenfalls bemerkenswerte Schwächen, weil die Konflikte nicht auf einen starken Showdown zugespitzt werden.
So sitzt man mit gemischten Gefühlen im Kino. Man fragt sich, was wohl ein Martin Scorsese aus diesem Material gemacht hätte – und man staunt über die Stadt New York, die es in den letzten Dekaden geschafft hat, von einer City am Abgrund wieder zur strahlenden Metropole zu werden.
IDEAL FÜR: Fans von New York, von Melissa McCarthy und von Mafia-Filmen.