DIE STORY: „The Interview“: Jetzt ist sie also da, die Nordkorea-Satire, die in den letzten Monaten mehr Wirbel auslöste als der Rest der Hollywood-Jahresproduktion zusammen. Man erinnert sich: Erst der Hacker-Angriff auf das Sony-Studio, dann Drohungen aus Nordkorea. Schließlich die vorsorgliche Sperre und anschließende Wiederfreigabe des Films durch Sony fürs Kino.
Wie so oft, wenn ein Ereignis einen Mediensturm auslöst, ist der Anlass die ganze Aufregung gar nicht wert. „The Interview“ entpuppt sich im Kino als grelle, streckenweise sehenswerte Medien-Farce, die aus drei sehr unterschiedlichen Abschnitten besteht.
In der ersten halben Stunde schaut man äußerst vergnügt dabei zu, wie die eitle Welt der TV-Talkshows auf die Schaufel genommen wird.
Dann gelingt es dem TV-Produzenten Aaron Rapaport (Seth Rogen), für seinen Talkmaster-Schützling Dave Skylark (James Franco) ein Interview mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-Un auszumachen. Doch in Nordkorea verliert der Film an Fahrt.
Im dritten Teil schließlich, während das TV-Interview aufgenommen wird, beginnt hinter den Kulissen ein sehr blutiger Showdown, der an ein Splatter Movie erinnert. Der Blutpegel steigt, doch die Qualität des Films sinkt jetzt auf das Niveau eines Schüler-Scherzes.
DIE STARS: Der Kanadier Seth Rogen („Das ist das Ende“, „Bad Neighbors“) arbeitet mit großem Erfolg daran, sich in Hollywood als King des Trash-Humors zu etablieren. Bei „The Interview“ ist er Hauptdarsteller, Co-Autor, Co-Regisseur (mit Evan Goldberg) und Produzent in Personalunion.
James Franco ist bei Rogens Radikal-Komödien oft mit von der Partie, hat aber auch eine Ader fürs Arthaus-Kino. Dort führt er gern Regie. Allerdings waren seine jüngsten Filmkunst-Dramen „Sal“ und „As I Lay Dying“ so schwere Kost, dass sie außerhalb des Festival-Zirkus praktisch unsichtbar blieben.
Lizzy Caplan, die für ihre Rolle im TV-Dokudrama „Masters of Sex“ eine Emmy-Nominierung erhielt, führt vor, wie verführerisch CIA-Agentinnen wirken können. Randall Park („Bad Neighbors“, „Sex Tape“), ein Kalifornier mit koreanischen Wurzeln, legt das Kostüm des Diktators Kim Jong-un an.
DIE KRITIK: Die Wende kommt mit einem charmanten Lächeln. Eine in jeder Hinsicht gute halbe Stunde ist in der Satire „The Interview“ vergangen, da begehrt die CIA Einlass beim TV-Star Dave Skylark (James Franco) und seinem Produzenten Aaron Rapaport (Seth Rogen).
Der Geheimdienst hat Wind davon bekommen, dass die beiden nach Pyongyang aufbrechen wollen, zu Präsident Kim Jong-un. Man hätte da so eine Idee. „Die CIA wäre sehr entzückt, wenn Sie ihn ums Eck bringen können“, flötet die fesche Agentin Lacey (Lizzy Caplan), die keinen amtsüblichen Trenchcoat trägt, sondern eine tief decolletierte Bluse.
Skylark & Rapaport verstehen nicht recht. Ums Eck bringen? In eine Eck-Kneipe vielleicht? Erst langsam dämmert es den beiden: „Sie wollen, dass wir den Führer von Nordkorea töten?“ Agentin Lacey nickt freundlich mit dem Kopf.
Absurderweise ist es dieser sehr komische und politisch sehr unkorrekte Moment, ab dem „The Interview“ ins Rutschen gerät.
Solange Nordkorea und Kim Jong-un noch keine Rolle spielen, geht „The Interview“ ab wie die Feuerwehr. Man begegnet dem Rap-Star Eminem, der sich vor laufender Kamera als Schwuler outet (alles nicht wahr, beeilte sich Eminem mittlerweile zu sagen). Man begegnet dem Film-Schönling Rob Lowe, der im TV-Studio nicht den Hut, sondern sein Toupet zieht („aber da sind eh noch ein paar Haare," tröstet Moderator Skylark den Glatzkopf). Die Sucht der Sendungsmacher nach immer neuen Sensationen und ihr hochmütiger Irrglaube, im Olymp der Medienwelt zu wohnen, werden famos durch den Kakao gezogen.
Doch dann Nordkorea. Und der von der CIA bestellte Mordanschlag (mit einem Giftpflaster). Und die Begegnung mit Kim: Nach der Ankunft in Asien zerfasert die Story, als wüssten die Filmemacher nicht recht, was sie mit ihrem rotzfrechen Material anfangen sollen.
Statt einer kompakten Farce erlebt man jetzt eine Art Nummernrevue. Die nächtliche Begegnung Rapaports mit einem Tiger: Halbwegs lustig. Die Begegnung von Skylark mit Kim, aus der gleich so eine Art Männerfreundschaft wird, mit einer gemeinsamen Panzerfahrt als Abenteuer: Halbwegs lustig. Aber der Spannungsbogen wird schlaffer und schlaffer.
Wenn Autor/Regisseur/Hauptdarsteller Seth Rogen dann den bluttriefenden Showdown einläutet, wirkt das wie der vergebliche Versuch einer verlierenden Fußballmannschaft, noch die Wende zu erzwingen.
Es geht überdreht brutal zu in den letzten Filmminuten, und, ja, der Film-Diktator haucht sein Leben aus (was im Vorfeld für aufgeregte Schlagzeilen sorgte). Doch von der satirischen Schärfe des Beginns hat sich „The Interview“ da längst entfernt. Gesamteindruck: Ein harmloser Spaß, der stark beginnt, um dann stark nachzulassen.
IDEAL: Freunde des rabiaten Humors. Wer scharfzüngige Polit-Satiren liebt, wird eher nicht so gut bedient.