DIE STORY: Der Western „The Homesman“ präsentiert den Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones gleich in dreifacher Funktion: Als Hauptdarsteller, Autor und Regisseur.
Der Film rankt sich um die Farmerin Mary Bee Cuddy (Hilary Swank), die im Jahr 1854 frühe Frauenpower beweist. Ganz allein bewirtschaftet sie ihren Hof, der in der kargen Prärie-Landschaft Nebraskas nur geringe Erträge abwirft. Und ganz allein setzt sie sich auf den Kutschbock, als bei einem waghalsigen Unterfangen das Los auf sie fällt. Sie soll drei Frauen, die in dieser Einöde den Verstand verloren haben, in ein Sanatorium in zivilisierteren Regionen transportieren.
Der 600-Kilometer-Trip ist gefährlich: Die Natur kann zum tödlichen Feind werden, und die Menschen können das auch. Doch Mary Bee hat Glück. Sie trifft unterwegs einen Mann namens George Briggs (Tommy Lee Jones), der sie fortan begleitet.
Dieser Briggs ist ein zwielichtiger Charakter, ein Gesetzloser, dessen Leben im Grunde schon vorbei ist. Als er von Mary Bee entdeckt wird, sitzt er unter einem Baum. Mit einer Schlinge um den Hals. Auf einem Pferd. Sobald das Pferd losläuft, ist er tot. Ein erboster und bestohlener Farmer hat den Landdieb Briggs in diese Situation gebracht.
Mary Bee durchtrennt den Strick und rettet sein Leben. Ihr Misstrauen bleibt freilich groß. Aber Briggs sorgt sich um ihre Sicherheit und die ihrer psychotischen Schutzbefohlenen. Nicht nur aus Dankbarkeit. Auch wegen eines Schecks, den sie ihm bei vollendeter Mission verspricht.
DIE STARS: Tommy Lee Jones spielt in „The Homesman“ wieder einmal seine Paraderolle eines wortkargen, aber entscheidungsstarken Mannes, der hinter einer abweisenden Fassade ein sehr zugängliches Herz versteckt. Hilary Swank („Million Dollar Baby“) ist eine Einzelgängerin ohne Furcht, die jederzeit bereit ist, sich Aggressionen aller Art tadelnd entgegenzustemmen.
Im Ensemble agieren erste Kräfte wie Hailee Steinfeld („True Grit“), John Lithgow („Dexter“) oder Miranda Otto („Der Herr der Ringe“). Am Ziel der Reise wartet Meryl Streep als fromme Helferin auf die seelisch kranken Frauen. Eine der Landfrauen, die ob ihres Seelenleids verstummten, wird von Streeps Tochter Grace Gummer gespielt.
DIE KRITIK: „The Homesman“ ist ein Film, der viel zu erzählen hat – in einer für das Western-Genre höchst ungewöhnlichen Geschichte.
Hier geht es nicht um den Aufbruch gen Westen, wo in unerforschten Gegenden Glück und große Abenteuer warten. Der Film schildert eine Reise zurück. Die Seelenkrankheit der Patientinnen ist ein Sinnbild für ihr Scheitern. Ihr Weg führt wieder retour, nach Osten, von Nebraska nach Iowa, wo das Leben zivilisierter ist als im Land der Pioniere (und der Illusionen).
Hier geht es auch nicht um charismatische Männer, die einander, im Helden- oder Schurkengewand, zum finalen Showdown gegenübertreten. Dieser Western ist ein packendes Drama, das sich um eine sehr starke und drei sehr kranke Frauen dreht. Der Platz der Männer ist in der zweiten Reihe, wo sie ihre Revierkämpfe um Macht, Profit und Liebe austragen.
Statt eines High-Non-Finales gibt es viele kleine Konflikte unterwegs. Eine Begegnung mit gut bewaffneten Indianern sorgt für Herzklopfen. Die Nächte in der kalten Natur bedeuten im Grunde bedrohliche Gefahr. Mary und Biggs kommen einander allmählich näher. Doch eine dramatische Wendung der Geschichte verstört die Reisenden genauso wie das Publikum.
Tommy Lee Jones spielt energisch wie immer. Und er beweist bei seiner zweiten Inszenierung fürs Kino erneut sein großes Talent als Regisseur. Sein Stil ist schnörkellos, direkt und doch voller Emotionen. „The Homesman“ erzählt viel über Amerika, über den amerikanischen Traum und dessen Gegenteil, die hemmungslose Selbstsucht, die das Land ebenso bis heute prägt. Sehenswert.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die Lust auf einen ungewöhnlichen, spannenden und klugen Western mit einem glanzvollen Ensemble haben.