GESAMTEINDRUCK: Das Psychodrama „So wie du mich willst“ erzählt auf anfangs holprige, dann jedoch sehr spannende Weise, was geschehen kann, wenn man sich für einen Internet-Flirt eine falsche Identität zulegt.
DIE STORY: Die Pariser Literaturdozentin Claire (Juliette Binoche), eine attraktive Fünfzigerin, verwandelt sich in einem Internet-Profil in eine eine junge Frau. In dieser virtuellen Identität als Clara beginnt Claire einen Online-Flirt mit dem jungen Fotografen Alex (Francois Civil), bei dem aus dem Spiel bald ernst wird: In den beiden lodern heftige Gefühle füreinander. Sie nehmen telefonisch Kontakt zueinander auf. Alex drängt immer intensiver darauf, Clara von Angesicht zu Angesicht zu treffen, was natürlich unmöglich ist, weil es Clara nicht gibt. Schließlich gerät die Situation vollkommen außer Kontrolle – mit massiven Konsequenzen für beide Beteiligte.
DIE STARS: Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche ist eine Idealbesetzung für die Rolle der nach außen hin so souveränen Professorin Claire, die sich in ihrer Sehnsucht nach Liebe und nach ihrer verlorenen Jugend heillos in der virtuellen Welt verirrt. Ihr jugendlicher Filmpartner Francois Civil machte sich in Frankreich mit Komödien-Rollen einen Namen, ist aber, wie man (nicht nur) in „So wie du mich willst“ sieht, auch im ernsten Fach ein großes Talent.
Mit Nicole Garcia (sie spielt Claires Therapeutin) holte Regisseur Safy Nebbou eine der großen Charakterdarstellerinnen des französischen Films ins Ensemble.
DIE KRITIK: Das Pariser Drama „So wie du mich willst“ beginnt als das, was man in Wien gern mit einem Grinsen „a blede G’schicht“ nennt. Wenn sich jemand unter einer gefälschten Identität virtuell in einen potenziellen Partner verliebt, diesen aber nicht treffen kann, ohne dass der Betrug auffliegen würde – dann löst das kein Mitgefühl aus, sondern eher Verwunderung. Vielleicht mit einem Hauch Schadenfreude.
In der ersten Stunde hat der Film, der auf einem Roman der Französin Camille Laurens beruht, nicht viel mehr zu bieten als den Aufbau eines Gewittersturms der Gefühle, der sich später heftig entladen wird.
Man begleitet die wunderbare Juliette Binoche auf ihren Wegen als 50-jährige Claire und als 24-jährige Clara, die bald keinen Ausweg mehr weiß aus dem virtuellen Labyrinth, das sie selbst errichtet hat. Denn als sie im Internet für den jungen Fotografen Alex entbrennt, denkt sie gar nicht daran, rasch die Stopptaste zu drücken.
Ganz im Gegenteil. An den Chat-Monitoren glühen die Emotionen. Und man darf darüber sinnieren, wie stark die Liebe im virtuellen Raum auf Projektionen beruht. Schließlich kennen die beiden Turteltäubchen einander überhaupt nicht. Sie kommunizieren ja nur mit Worten (echt) und mit Bildern (bei ihm echt, bei ihr gefälscht).
Dieser Schwindelei-Romanze zuzuschauen, ist anfangs durchaus unterhaltsam; auch wegen des sensiblen Spiels von Juliette Binoche, Francois Civil und von Nicole Garcia, die als Therapeutin ihrer Klientin Claire stets die richtigen Fragen stellt, ohne die einzig logischen Antworten (Schlussmachen! Aber schnell!) zu bekommen.
Mit der Zeit wird „So wie du mich willst“ allerdings ein Film, wie man ihn so nicht will. Langeweile zieht ein. Bis, ja bis das Geschehen ansatzlos eine radikale Wendung nimmt. Der noch weitere radikale Wendungen folgen werden. Plötzlich sitzt man in einem eminent fesselnden Psychothriller und staunt mit großen Augen, was aus der anfangs so eindimensionalen Story alles geworden ist.
Leider wäre jeder Hinweis darauf, was sich nun abspielt, ein massiver Spoiler. Daher kein Wort darüber. Nur so viel: Ein Meister wie Alfred Hitchcock hätte am letzten Drittel von „So wie du mich willst“ seine helle Freude. Die Spannung steigt und die Figuren zeigen Charakterzüge, mit denen man zu Beginn nicht gerechnet hätte.
„Es gibt keine größere Rivalin als eine, die nicht existiert“, lautet ein Schlüsselsatz des Films, der unterm Strich schön herausarbeitet, wie weit die Realität des virtuellen Raums von der Wirklichkeit jenseits der Computer entfernt sein kann. Chapeau. Ein paar kräftige Kürzungen in der ersten Stunde hätten freilich nicht geschadet.
IDEAL FÜR: FreundInnen von psychodramatischen Romanzen, die gern mal in die virtuellen Welten schauen.