DIE STORY: „Señor Kaplan“ lebt in Uruguay, ist 76 Jahre alt und antwortet auf die Frage, wie es ihm geht, stets: „Danke schlecht, es geht ja dem Ende zu“. Eines Tages aber erzählt ihm seine Enkeltochter etwas von einem alten Nazi, der eine Strandbar betreibt. Was er für Quatsch hält, bis dieses Gerücht auch in seiner jüdischen Gemeinde auftaucht.
Jacob Kaplan (Héctor Noguera) macht sich auf den Weg, den vermeintlichen Verbrecher (Rolf Becker) zur Strecke zu bringen. Er sucht einen Verbündeten im ehemaligen Polizisten Wilson (Néstor Guzzini), der den verkehrsuntüchtigen Alten chauffieren soll. Kaplan plant den ganz großen Coup. Er will den Nazi nach Israel ausliefern.
DIE STARS: Dieser Film aus Uruguay war in seiner Heimat ein Überflieger. Kassenrekorde gebrochen. Für den Oscar eingereicht. Was zum großen Teil an den wahnsinnig tollen Schauspielern liegt. Héctor Noguera als Kaplan stahlt die Ruhe und Gelassenheit aus, die auch einem Clint Eastwood in späten Jahren eigen war. Nur dass Noguera von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert und das wiederum hinnimmt wie Louis de Funès in seinen besten Zeiten.
Kaplans Gefährte Wilson ist von derart trauriger Gestalt und wird von Néstor Guzzini so hinreißend gespielt, dass man ihn ständig in den Arm nehmen möchte.
Rolf Becker, im deutschen Fernsehen viel beschäftigt, hat nur wenige Szenen, in denen er glänzen kann. Aber wenn er am Ende seine Geschichte erzählt, ist das ein purer Gänsehaut-Moment.
DIE KRITIK: Und wieder mal ein Film über eine Zeit, von der man so oft denkt, schon alles zu wissen. „Señor Kaplan“ spielt in Uruguay, einem Land, in das sich viele Nazis nach dem Ende des zweiten Weltkriegs abgesetzt hatten.
Der Titelheld Kaplan glaubt, dass er einem der letzten noch lebenden Altnazis auf der Spur ist, der 1945 mit einem Schiff in Uruguay ankam. Paradox an der Situation: Jakob Kaplan ist überzeugt, dass sein eigenes Leben demnächst endet und geht entsprechend lethargisch durchs Leben.
Seine Familie stimmt der Einschätzung des baldigen Ablebens im Wesentlichen zu. Nimmt dem Alten den Führerschein weg und versorgt ihn mit einem Chauffeur. Dieser Wilson, heute eine gescheiterte Existenz und früher mal ein Polizist, wird von Kaplan überredet, beim größenwahnsinnigen Coup mitzumachen. Nazi finden – Nazi ausspionieren – Nazi entführen und nach Israel verschiffen. Da erwachen die Lebensgeister des alten Kaplan wieder. Er will einmal das schaffen, was das Leben eines echten Mannes ausmacht – etwas Bleibendes.
Der uruguayische Regisseur Álvaro Brechner inszeniert seinen Roadtrip mit wunderbar sommerlicher Leichtigkeit. Kaplan und Wilson sind ein Kinotraumpaar. Allerdings eines der Abteilung Pleiten, Pech und Pannen.
Denn dem alten Nazi kann nichts nachgewiesen werden. Er scheint eine blütenweiße Weste zu haben. Was Kaplan nur noch mehr anstachelt. Am Ende, nach etlichen Rückschlägen, werden sie den Mann (Rolf Becker) einfangen und er wird ihnen eine tragische Geschichte erzählen, die zeigt, wie sehr das grenzübergreifende Schweigen nach 1945 dazu beigetragen hat, dass wir heute immer noch mit Wissenslücken zu kämpfen haben.
IDEAL FÜR: Kinogänger, die lässig inszenierte Arthaus-Filme über die Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart mögen.