DIE STORY: Das Drama „Raum“ schildert die Tragödie einer jungen Frau namens Joy (Brie Larson), die vor Jahren von einem Mann (Sean Bridgers) entführt wurde und seitdem in einem winzigen Raum eingesperrt ist. Joy ist nicht allein: Sie wurde von dem Kidnapper missbraucht - und schwanger. Zum Zeitpunkt, zu dem die Geschichte spielt, ist ihr Sohn Jack (Jacob Tremblay) bereits fünf Jahre alt.
„Raum“, der Film, basiert auf dem gleichnamigen Roman der irischen Autorin Emma Donoghue, der wiederum eng an den österreichischen Fall Fritzl angelehnt ist. Anders als bei Fritzl gelingt den Opfern hier jedoch die Flucht. Joy wickelt ihren Sohn in einen Teppich ein und erklärt dem Entführer, Old Nick, der Junge sei tot. Der Mann packt den Teppich mit dem Jungen, der sich perfekt totstellt, auf seinen Pickup und fährt los, um die Leiche zu vergraben. Doch Jack kann bei einem Stopp von der Ladefläche klettern. Erwachsene, die ihn finden, alarmieren die Polizei. Noch am selben Tag wird auch Joy befreit und der Entführer verhaftet.
Joy feiert ein tränenreiches Wiedersehen mit ihren Eltern (Joan Allen und William H. Macy), die erstmals erfahren, dass sie Großeltern sind. Doch Joy kann die wiedergewonnene Freiheit nicht genießen. Sie wird von heftigen Depressionen und Todessehnsüchten geplagt. Bis sie, auf Wunsch ihres Sohnes, noch einmal den Raum besucht, in dem die beiden so lange festgehalten wurden.
DIE STARS: Die 26-jährige Brie Larson wurde für ihr sensibles Spiel als Joy mit dem Golden Globe und dem Oscar ausgezeichnet. Der inzwischen neunjährige Jacob Tremblay, der ihren Sohn Jack spielt, trat schon in Filmen wie „Die Schlümpfe 2“ auf. Mit Joan Allen (drei Oscar-Nominierungen) und William H. Macy (Oscar-Nominierung für „Fargo“) sind die Rollen von Joys Eltern sehr prominent besetzt.
Der irische Regisseur Lenny Abrahamson war bei uns zuletzt mit der Musik-Groteske „Frank“ im Kino. Für die Inszenierung von „Raum“ erhielt er eine Oscar-Nominierung.
DIE KRITIK: Das Kino-Drama „Raum“ schert sich zu Recht keinen Deut um die gewalttätige und zugleich so armselige Figur des Kidnappers, der einer Frau und seinem Sohn den Blick auf die Welt raubt. Der Film kümmert sich um die Opfer. Old Nick, das Monster im Biedermanns-Gewand, ist zu Beginn des Dramas gelegentlich als Besucher im Raum. Nach seiner Verhaftung ist er dann weg. Tschüss.
Aber wie lässt sich ein Leben ertragen, das auf ein paar Quadratmeter und, durch ein Dachfenster, auf den Blick himmelwärts reduziert ist? „Raum“ handelt zunächst davon, wie die junge Joy versucht, ihrem kleinen Sohn Jack eine Art Normalität vorzugaukeln, in der keine Außenwelt existiert. Sie spielt, sie lernt, sie bastelt mit dem Kleinen. Sie schaltet auch gelegentlich den Fernseher ein, den ihr Peiniger im Raum installiert hat. Doch das, was da zu sehen ist, sei nicht real, sondern Phantasie, erzählt sie ihm.
Die erste Hälfte des Films verbringt man weitgehend allein mit Joy und Jack in ihrem Gefängnis. Das ist ein eindringliches, bitteres und berührendes Erlebnis, in dem greifbar wird, was in Menschen vorgehen mag, die so gnadenlos ihrer Freiheit beraubt werden.
Für Jack ist die Situation noch vergleichsweise leicht zu bewältigen. Weil er keinen anderen Raum kennt. Joy hingegen beschützt ihren Sohn und hält sich gleichzeitig an ihm fest, um nicht den Verstand zu verlieren. Gleichzeitig muss sie aber ganz klar bei Verstand sein, denn sie plant ja einen Ausbruch, bei dem ihr Fünfjähriger die Hauptrolle spielen soll.
Brie Larson spielt diese Joy höchst subtil; mit großer Genauigkeit, doch ohne große Gesten. Ihre Interaktion mit dem Kinderdarsteller Jacob Tremblay (schauspielerisch eine Herausforderung für sich) ist innig, zärtlich und bestimmt zugleich. Eine Meisterleistung, für die Larson zu Recht mit dem Oscar gewürdigt wurde.
Zurück auf die Leinwand. Im Mittelteil von „Raum“, wenn der Fluchtversuch beginnt, baut Regisseur Lenny Abrahamson geschickt Spannung auf. Anschließend, Mutter und Sohn haben ihre Freiheit wiedergewonnen, verändert der Film noch einmal seinen Stil. Zum hochklassig, aber konventionell erzählten Psychodrama.
Für Joy wird die Rückkehr in ihr altes Leben, wohl zu ihrer eigenen Überraschung, zur Stolperstrecke. Ihre Eltern sind mittlerweile geschiedene Leute, vor der Haustür wartet die Medienmeute (das würde bei uns durch die Behörden verhindert), und auch die Zweisamkeit mit ihrem Sohn ist anders geworden, weil ja nun eine Welt voller Menschen ringsum existiert.
Es ist interessant, diesen Teil des Dramas zu verfolgen. Doch in Erinnerung bleibt die erste Stunde des Films: Als Schilderung eines kaum erträglichen Albtraums der Isolation, in dem eine tapfere Mutter und ihr Sohn trotz aller Verzweiflung den Lebensmut nicht verlieren.
IDEEAL FÜR: alle, die aufrichtige Schicksals-Filme mögen – und für jene, die nachfühlen wollen, wie es in Österreich den Opfern des Entführers Fritzl erging.