GESAMTEINDRUCK: „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ ist eine fein gezeichnete lesbische Liebesgeschichte aus Frankreich, in der Männer höchstens am Rande vorkommen.
DIE STORY: Eine Malerin namens Marianne (Noémie Merlant) reist 1770 auf eine kleine Insel in der Bretagne, wo eine verwitwete Comtesse mit ihrer Tochter lebt. Marianne soll von Héloise (Adèle Haenel), der Tochter des Hauses, ein Bild malen, das dann als Brautwerbe-Geschenk nach Mailand geschickt werden soll. Aber die junge Dame will sich nicht malen lassen. Auf langen Spaziergängen am Meer kommen sich die Künstlerin und ihr unwilliges Modell jedoch immer näher. Es entsteht Liebe. Doch kann eine lesbische Liebe in der Welt des 18. Jahrhunderts gutgehen?
DIE STARS: Die Pariserin Adèle Haenel – Tochter einer Französin und eines Österreichers – gilt in Frankreich schon seit längerer Zeit als die Nachfolgerin von Juliette Binoche. Bei uns ist sie noch nicht so bekannt, was sich hoffentlich demnächst ändert. Noémie Merlant hingegen ist ein neues Talent, das man hier entdecken kann.
DIE KRITIK: Die französische Regisseurin Céline Sciamma ist für ihre raue und ungeschminkte Art des Filmemachens bekannt. Ihr Film „Tomboy“ über ein Mädchen in einem Jungenkörper wurde in den Arthaus-Kinos vor ein paar Jahren weltweit zum Erfolg.
Bei ihrem neuen Film „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ verschiebt Sciamma die Grenze zwischen den Geschlechtern noch ein Stück weiter. Männer kommen hier nur vor, wenn mal Gepäck geschleppt werden muss. Ansonsten gibt es sie einfach nicht in diesem stillen Historiendrama, in dem viel von Verlangen und Etikette die Rede ist.
Den Filmtitel „Portrait einer jungen Frau in Flammen“ kann man doppeldeutig verstehen. Zum einen ist es der Name eines Bildes, das gleich zu Beginn gezeigt wird. Die Malerin Marianne (Noémie Merlant) erzählt ihren Kunststudentinnen, wie es dazu kam, dass sie die Frau gemalt hat, deren Kleid in Flammen steht.
Die eigentliche Geschichte spielt ein paar Jahre zuvor. 1770 wird Marianne auf eine einsame Insel gerufen. Dort soll sie ein Portrait von Héloise (Adèle Haenel) malen, der wilden Tochter der Comtesse (Valeria Golino). Dass Marianne und Héloise bald zueinander in Liebe entbrennen werden, daraus macht Sciamma kein Geheimnis.
Die Filmemacherin legt einige schöne Fährten der Ungewissheit. Der vorherige Maler durfte Héloise beim Zeichnen nicht betrachten. Sein Bild wurde teilweise zerstört. Marianne hat in den Nächten Visionen von Héloise als schneeweißem Gespenst. Aber im Kern erzählt Sciamma von einer lesbischen Liebe, die sich in aller Ruhe und Unaufgeregtheit entwickeln kann.
Besonders schön sind die Szenen geraten, in denen Marianne ihr Modell Héloise ein ums andere Mal beim Malen studiert. Beide Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt schon, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Sie wollen oder können dies aber noch nicht zeigen. Ihr wunderbar zurückhaltendes Mienenspiel verrät sie aber längst.
„Porträt einer jungen Frau in Flammen“, der Eröffnungsfilm der Viennale 2019, ist so edel geraten, dass der Film in diesem Jahr die großen Auszeichnungen verdient hätte. Aber vielleicht ist das Drama zu still für unsere marktschreierische Welt. Und so hat es vom Wettbewerb in Cannes bis zu den Europäischen Filmpreisen immer nur für die kleinen Preise gereicht. Der große Wurf von Céline Sciamma wird sicher noch kommen.
IDEAL FÜR: Menschen, die im Kino Bilder wie Gemälde und große Gefühle dezent gezeichnet mögen.