GESAMTEINDRUCK: Die dunkelschwarze Komödie „Parasite“, umjubelter Gewinner der Goldenen Palme von Cannes, ist sehr unterhaltsam, bitterböse und am Ende blutig wie ein rohes Steak.
DIE STORY: Eine völlig verarmte koreanische Familie vegetiert in einer elendig eingerichteten Wohnung in Seoul vor sich hin. Plötzlich eröffnet sich die Möglichkeit, sich sozial drastisch zu verbessern. Denn der Sohn bekommt das Angebot, bei sehr reichen Koreanern einem Mädchen Nachhilfe zu geben. Der Reihe nach wird nun jedes Familienmitglied mit Jobs in der Villa der Reichen untergebracht, wobei die Eindringlinge so tun, als würden sie einander nicht kennen. Doch eines Tages droht der Schwindel aufzufliegen.
DIE STARS: Nur die Hardcore-Fans des koreanischen Kinos werden die Namen von Schauspielern wie Kang-ho Song oder Yeo-jeon Jo jemals gehört haben. Aber nach dieser brillanten Satire wird man zumindest ihre Gesichter für lange Zeit nicht vergessen.
DIE KRITIK: Egal, wovon der Südkoreaner Joon-ho Bong bisher in seinen Filmen wie „Okja“, „Snowpiercer“ oder „The Host“ erzählt hat, eines steht bei ihm immer im Vordergrund: Sein Publikum extrem gut zu unterhalten. Das macht er auch bei „Parasite“ wieder ganz ausgezeichnet. Auch wenn der Film mit 132 Minuten Spielzeit etwas lang geraten ist.
Der Regisseur begibt sich dieses Mal nicht in irgendwelche Fantasiewelten. „Parasite“ spielt in einer südkoreanischen Großstadt. Die Familie des jugendlichen Helden gehört zur sozial ärmsten Schicht. Vater und Mutter haben keine Arbeit. Die beiden fast erwachsenen Kinder auch nicht. Sie können sich gerade mal eine Wohnung im Souterrain leisten. Unterirdisch sind von dort aus nicht nur die Aussichten. Regelmäßig wird ihnen von Besoffenen ans Fenster gepinkelt oder Gas gegen Ungeziefer ins Wohnzimmer gesprüht.
Diese wahrhaft trostlose Ausgangslage ändert sich schnell, als der junge Mann das Angebot bekommt, bei einer reichen Familie als Englisch-Nachhilfelehrer zu arbeiten. In dem sehr noblen Haus angekommen, stellt sich bald heraus, dass es sich hier um die Chance seines Lebens handeln könnte. Denn diese Familie braucht viel mehr Personal.
Zuerst bringt Ki-Taek seine Schwester als Kunstlehrerin unter. Die wiederum kommt auf die Idee, den eigenen Vater als Chauffeur zu implementieren. Dass dafür der eigentliche Fahrer den Job verlieren muss, wen kümmert‘s? Jedenfalls nicht die Leute um Ki-Taek. Die Methoden, sich ins Leben der Reichen einzumischen, werden immer dreister und brutaler.
Joon-ho Bong füllt mit „Parasite“ – der sich wie eine böse asiatische Version von „Downton Abbey“ anfühlt – die Lücke, die der französische Altmeister Claude Chabrol hinterlassen hat. Der Regisseur zeichnet ein sehr genaues Bild der sozialen Klassen. Er kehrt in den Menschen, wenn sie denn einmal etwas Wohlstand haben, ihre finstersten Seiten nach draußen. Und zeigt all das in Szenen, in denen man oft nicht weiß, ob man noch lachen soll oder ob einem das Lachen nicht im Hals stecken bleibt. Die Goldene Palme von Cannes war folgerichtig.
Über die gesamte Laufzeit des Films kann man sich nicht sicher sein, in welche Richtung sich „Parasite“ entwickelt. Lauern noch Monster im Keller? Werden hier Leben einfach so ausgelöscht? Endet alles in einer großen Versöhnung, mit Happy End und Gartenfest? Nur eines weiß man nach dem grandiosen Finale: Das wahre Monster wohnt in jedem Menschen selbst. Man sollte nur die Kontrolle darüber haben. Wenn es denn die Gesellschaft erlaubt und man sich nicht zu Tode schuften muss.
IDEAL FÜR: Menschen, die es im Kino bitterböse und schön abgründig mögen.