DIE STORY: Der russische Meister-Regisseur Andrey Konchalovskiy erzählt in „Paradies“ mehrere Geschichten aus dem Jahr 1942. In Frankreich haben die Deutschen das Land besetzt. Dennoch hat sich der Widerstand organisiert, während viele Inhaftierte einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Konchalowskiy wählt eine Form, die sehr ungewöhnlich ist.
Auf Spielfilmszenen folgen in schöner Regelmäßigkeit Verhöre mit Menschen, die gerade in der Handlung auftauchten. Ein französischer Kollaborateur, eine russische Prinzessin und ein fanatischer Nazi. Diese Befragungen sind das Zentrum des Films.
Irgendwann merkt der Zuschauer, dass hier - was es im Kino auf diese Weise schon ewige Zeigen nicht mehr gab - Magisches geschieht. Werden die Protagonisten möglicherweise vor einem himmlischen Gericht befragt?
DIE STARS: Regisseur Andrey Konchalovskiy, 80, der sein langes Arbeitsleben in der Sowjetunion begann, aber seit den Achtziger Jahren mit „Tango & Cash“ oder „Runaway Train“ auch Hollywood-Erfolge vorzuweisen hat, setzt in „Paradies“ auf exzellente Schauspieler aus dem Theater oder dem Arthaus-Bereich. Beim Filmfest Venedig 2016 gewann Konchalovsky für „Paradies“ den Silbernen Bären für die beste Regie.
Peter Kurth gibt einen abgrundtief bösen SS-Offizier, während Christian Clauß den nachdenklichen und im Kern guten deutschen Offizier spielt. Yuliya Vysotskaya, die Konchalovsky schon bei seiner Adaption des „Nussknacker“ besetzte, glänzt als Widerstandskämpferin.
DIE KRITIK: „Paradies“ ist vom Papier her eine Geschichte, wie man schon viele aus dem Zweiten Weltkrieg gehört hat. Es geht um gute und schlechte Menschen in den Zeiten der Apokalypse. Aber Andrey Konchalovsky findet einen neuen, einen faszinierenden Weg. Vorausgesetzt man mag kluges und auch leises Kino, das den Zuschauer nicht überwältigen will, sondern ihm Platz lässt zum Nachdenken und Zusammensetzen der Geschichte.
Der Film ist nicht chronologisch erzählt. Immer wieder setzt Konchalovsky neu an und stellt Menschen vor: Den Deutschen, der von einem Paradies auf Erden träumt. Seinen Kameraden, der ihn darauf hinweist, dass es dieses Paradies nur geben könne, wenn jemand bereit wäre, die Hölle auf Erden – zumindest teilweise – zu entfesseln. Die Widerstandskämpferin, die nicht kollabieren will und ins KZ muss. Erst im Laufe der Zeit bekommt man mit, in welchem Verhältnis diese Personen zueinander stehen.
Der besondere Kniff des Schwarz-Weiß-Films aber ist ein in weiß gehaltener Raum, in dem die Personen Bericht darüber ablegen müssen, was sie getan haben. Ist das der Himmel oder eine Vorstufe dazu – oder etwas ganz anderes? Der Regisseur erklärt es nicht. Und das macht diesen Film so viel wertvoller als viele andere Filme über die schreckliche Zeit zwischen 1933 und 1945.
IDEAL FÜR: Kinogänger, die es mögen, nicht nur unterhalten, sondern auch herausgefordert zu werden.