GESAMTEINDRUCK: „My Days Of Mercy“ ist eine ergreifende und sehr düstere Tragödie, die eine lesbische Romanze mit einer ethischen Diskussion über die Todesstrafe in den USA verbindet.
DIE STORY: Die junge Amerikanerin Lucy (Ellen Page) reist mit ihrer Schwester und ihrem kleinen Bruder von Gefängnis zu Gefängnis, um dort gegen die Todesstrafe zu protestieren. Der Hintergrund: Der Vater der Geschwister sitzt selbst in einer Todeszelle. In einem Indizienprozess wurde er für den gewaltsamen Tod seiner Ehefrau verurteilt. Bei einer Demonstration begegnet Lucy der jungen Anwältin Mercy (Kate Mara). Die beiden Frauen verlieben sich ineinander. Allerdings sind schwere Konflikte vorprogrammiert. Denn Mercy zählt zu den Befürwortern der Todesstrafe.
DIE STARS: Die befreundeten Schauspielerinnen Ellen Page („X-Men“) und Kate Mara („Fantastic Four“) realisierten mit „My Days Of Mercy“ den Plan, einmal gemeinsam einen Film zu drehen. Beide sind auch als Produzentinnen an Bord. Die Regisseurin Tali Shalom Ezer stammt aus Israel. Sie etablierte sich 2015 mit der Sundance-Festivalpremiere ihres Debütfilms „Princess“ in der internationalen Arthaus-Szene.
DIE KRITIK: Können zwei Menschen, die sehr prononcierte Verfechter unvereinbarer gesellschaftlicher Standpunkte sind, zu Liebenden werden? Dieses Thema steht im Mittelpunkt von „My Days Of Mercy“. In Europa würde die Frage vermutlich anhand eines Paares erörtert, bei dem das linke und das rechte politische Lager aufeinanderprallen. In den USA bietet sich natürlich das Thema Todesstrafe an, das aus europäischer Sicht gottlob sehr weit weg ist, weil Hinrichtungen in den Staaten der EU verboten sind.
„My Days Of Mercy“ lässt keinen Zweifel daran, dass der Film auf der Seite der Todesstrafen-Gegner steht. Die Unmenschlichkeit dieser Urteile wird mit schlichten Mitteln, doch sehr eindrucksvoll, skizziert. Man fühlt mit Lucy und ihren Geschwistern mit, die bis zum letzten Tag den Beteuerungen ihres Vaters (Elias Koteas) glauben, unschuldig zu sein.
Dass sich eine junge Frau wie Lucy, die unter gewaltigem emotionalem Stress steht, ausgerechnet in eine Anhängerin der Todesstrafe verliebt, wirkt auf den ersten Blick reichlich konstruiert. Doch Ellen Page und Kate Mara machen mit feinfühligem und auch sehr sinnlichem Spiel glaubhaft, dass die erotische und die seelische Anziehungskraft alle ideologischen Gräben überbrücken kann. Wenngleich die Brücken in jeder Sekunde davon bedroht sind, krachend wieder einzustürzen.
„My Days Of Mercy“ ist eine ungemein berührende und zugleich traurige Geschichte geworden, die kaum einen hellen Moment kennt. Regisseurin Tali Shalom Ezer setzt mit ihrem expressionistischen Inszenierungsstil noch eins drauf. Sie stellt sich gegen die alte Theaterweisheit, dass in einer Tragödie die Zuschauer weinen sollen, nicht aber die Schauspieler: Hier wird auf der Leinwand sehr schmerzensreich gelitten.
IDEAL FÜR: FreundInnen harter realistischer Kinodramen.