GESAMTEINDRUCK: Die Netflix-Produktion*) „Marriage Story“ ist eine stark besetzte Tragikomödie, die beweist, dass man aus dem unerfreulichen Thema einer Scheidung sehr viele Pointen herausholen kann.
DIE STORY: Die Geschichte der Ehe von Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie (Adam Driver) ist keine glückliche. Zwar überschütten sie einander, wie man zu Filmbeginn erfährt, mit Lobeshymnen und Komplimenten. Aber die schönen Worte, die wie Liebeserklärungen klingen, sind nur als Diskussionsgrundlage für den Mediator gedacht. Denn Nicole und Charlie lassen sich scheiden. Anfangs geloben sie noch, ohne Streit auseinander zu gehen. Doch bald blüht ein schillernder Rosenkrieg, der zusätzlich von gierigen Anwälten befeuert wird.
DIE STARS: Die Hollywood-Granden Scarlett Johansson und Adam Driver als unglückliches Ehepaar, dazu Laura Dern und Ray Liotta als knallharte Scheidungsanwälte: Regisseur Noah Baumbach beweist auch bei seinem neuen Film, dass er ähnlich leicht an Darsteller mit großen Namen herankommt wie der für seine All-Star-Ensembles berühmte Woody Allen.
DIE KRITIK: „Marriage Story“ ist eine melancholische Komödie von Noah Baumbach, der sich mit Filmen wie „Frances Ha“ den Ruf erwarb, der Chronist der Generation X zu sein – ein Nachfahre des Stadtneurotiker-Stils von Woody Allen. Auch in „Marriage Story“ hat er das passende Personal aus der Intellektuellen-Szene versammelt. Charlie ist ein recht erfolgreicher Theaterregisseur aus New York, Nicole eine Schauspielerin aus Los Angeles, die ihre beginnende Filmkarriere erst mal aufs Eis legte, um mit Charlie in New York zu leben und Theater zu machen. Gemeinsam sind sie Eltern eines kleinen Sohnes, um dessen Wohl bald herzhaft gestritten wird.
Trennungskomödien sind nun nicht gerade ein rasend neues Genre, aber Noah Baumbach gelingt es, dem Thema einige originelle Facetten abzugewinnen. Mit Laura Dern kommt eine Anwältin ins Spiel, die äußerlich schön wie ein Paradiesvogel und innerlich giftig wie eine Schlange ist. Sie kümmert sich um Nicoles Interessen, und um dem etwas entgegenzusetzen, heuert Charlie gleich zwei Advokaten an, gespielt vom sanften Alan Alda und vom rabiaten Ray Liotta.
Der Anwalts-Streit wird zu einem juristischen Gemetzel, aus dem man als Europäer nur zwei Schlüsse ziehen kann: Erstens sollte man es in den USA wohl tunlichst vermeiden, zu heiraten. Und zweitens sollte man sich dort niemals scheiden lassen. Denn wenn man das tut, ist man nicht nur unglücklich, sondern auch pleite.
Der Film lebt auch vom hinreißenden Spiel seiner zwei Hauptdarsteller. Noah Baumbach hat für Scarlett Johansson und Adam Driver streckenweise ausgesprochen rabiate Dialoge geschrieben. Die Stars nehmen dieses Angebot dankend an und beflegeln sich gelegentlich derart massiv, dass man als Zuschauer froh ist, im Kino zu sitzen und nicht im gleichen Zimmer wie das einstmals glückliche Paar.
Beide bekommen aber auch ausgiebig Gelegenheit, sich von der positiven Seite zu zeigen, wobei sich Regisseur Baumbach ein besonderes Schmankerl einfallen ließ. Johansson und Driver singen beide ein Lied aus Stephen Sondheims berühmtem Liebes- und Trennungs-Musical „Company“. Sie trällert das schnippische „You Could Drive A Person Crazy“, er den emotionalen Titelsong „Company“. Der gelingt Adam Driver derart gut, dass er beim Festival Venedig vom Galapremieren-Publikum rauschenden Zwischenapplaus bekam.
So wird „Marriage Story“ zu einer in vielerlei Hinsicht schillernden Tragikomödie, bei der sich das Publikum bedeutend besser unterhält als die Protagonisten auf der Leinwand. Denn die lassen sich ja scheiden.
IDEAL FÜR: Alle Beziehungsmenschen, die einmal von außen miterleben wollen, was geschieht, wenn eine Ehe den Bach runtergeht.
*) „Marriage Story“ ist eine Netflix-Produktion, die jetzt für kurze Zeit in ausgewählten Kinos läuft. Ab 6. Dezember ist der Film dann auf Netflix im Streaming zu sehen.