Lunchbox
Mit dem falschen Zug zum richtigen Bahnhof
DIE STORY: „Lunchbox“ erzählt die Geschichte einer leicht frustrierten Ehefrau (Mimrat Kaur) aus Bombay, die in ihrem Gemahl mit mittäglich ins Büro gelieferten Köstlichkeiten neues erotisches Feuer entfachen will – und von einem Mann (Irrfan Khan), der diese Speisen irrtümlich erhält. Aus den Fehllieferungen entsteht ein Briefwechsel, der schließlich auch zu persönlichen Begegnungen führt.
DIE STARS: Irrfan Khan ist aus Hits wie „Slumdog Millionaire“ oder „Schiffbruch mit Tiger“ wohlbekannt. In „Lunchbox“ spielt er einen vereinsamten und innerlich vertrockneten Buchhalter namens Saajan, der seiner Pensionierung entgegenstrebt. Die kulinarischen Köstlichkeiten, die er aus der Küche der liebeshungrigen Ila erhält, bringen neue Reize und dann neue Perspektiven in seine Existenz. Mimrat Kaur spielt diese Ila als sinnliche Frau, die nicht länger bereit ist, die eheliche Einöde als Dauerzustand zu akzeptieren.
KURZKRITIK: Der junge indische Regisseur Ritesh Batra schuf mit „Lunchbox“ eine feine tragikomische Romanze, die fernab aller Bollywood-Klischees funktioniert. Die zarte Love Story, die mit dem Austausch von Speisen und kleinen Briefen beginnt, wird in einen sehr realistischen Rahmen gestellt, der von den Härten des Alltags in der Megacity Bombay erzählt. Das sorgt für doppelten Kinogenuss. Man begegnet liebenswerten Figuren, mit denen man voll Sympathie mitfiebern kann – und man erfährt gleich noch eine Menge über das Leben in fernen Ländern.
IDEAL FÜR: alle Filmfreunde, die eine ans Herz gehende Romanze lieben und die es schätzen, im Kino auf Weltreise zu gehen.
FilmClicks Kritik. Die Männer verbringen ihre Tage am Arbeitsplatz, während die Frauen daheim für Haus, Kinder und Küche zuständig sind: Aus dieser klassisch-altmodischen Rollenverteilung entstand in Indien eine Branche, die logistische Meisterleistungen vollbringt: Die Dabbawallas. Tag für Tag sammeln 5.000 Zusteller in ganz Bombay frisch gekochte und gut verpackte Köstlichkeiten ein, um sie vom heimischen Herd zum Adressaten im Büro oder in der Fabrik zu liefern – und das Geschirr dann wieder zurück.
Wie es heißt, funktioniert dieser Lunchbox-Lieferservice nahezu perfekt. Nur in „Lunchbox“, dem Film, funktioniert er in einem speziellen Fall nicht. Und daraus entsteht eine Geschichte, die rund um den Globus die Kinobesucher begeistert.
Leinwand frei für den verwitweten Buchhalter Saajan (Irrfan Khan), dessen ereignisloses Leben seine Entsprechung in dem faden Essen findet, das ihm alltäglich aus einer Garküche zugestellt wird. Doch eines Tages schnuppert er verwundert und bald begeistert an den Töpfen seiner Lunchbox: Auf einmal bekommt er Meisterwerke indischer Kochkunst ins Büro.
Leinwand frei nun für die fesche Ila (Mimrat Kaur). Die will sehr vehement raus aus dem Hamsterrad hausfraulicher Routine zwischen Kind, Küche und einem Ehemann, bei dem die erotische Flamme längst verglüht ist. Also will sie ihn mit weiblicher List wieder neu für sich begeistern – mit Speisen von aphrodisiakischer Raffinesse. Doch wie reagiert der Gemahl, als er abends nach Hause kommt? Der Blumenkohl sei ganz in Ordnung gewesen, erklärt er seiner Frau; desinteressiert wie immer.
Egal: Ila füllt ihre Lunchbox auch weiterhin mit kulinarischen Zaubereien, die von den Dabbawallas mit eiserner Konsequenz an die immer gleiche falsche Adresse gebracht werden – zu Saajan, dem Buchhalter. Irgendwann fügt Ila den Speisen eine kleine geschriebene Botschaft hinzu. Und sie ist verblüfft, als sie eine Antwort von einem Unbekannten erhält.
Doch nun entfaltet sich eine virtuelle Beziehung, wie sie im digitalen Zeitalter hinreißend altmodisch wirkt: Isa und Saajan werden zu Brieffreunden, die einander langsam immer mehr über ihr Leben berichten. Die täglichen Zeilen sind ihnen bald genauso wichtig wie der Inhalt der Lunchbox, in der die Botschaften transportiert werden.
Der Witwer Saajan, seit dem Tod seiner Frau innerlich vereist, taut langsam wieder auf. Und Ila, die mutigere und temperamentvollere der beiden, bezieht ihn in ihre Träume und Pläne ein: Sollte die Zufallsbekanntschaft ihrem Leben eine neue Wendung geben können? „Manchmal fährt der falsche Zug zum richtigen Bahnhof“, lautet ihr Wahlspruch.
„Lunchbox“ ist, ähnlich wie etwa „Schlaflos in Seattle“, eine zarte Romanze, in der die Hauptfiguren einander fast nie zu Gesicht bekommen. Doch als Zuschauer im Kino geht man rasch mit beiden eine Verbindung ein. Der Film – und das ist eine seiner vielen Stärken – führt Ila und Saajan jedoch nicht zu einem raschen und schmalzigen Happy End. Autor/Regisseur Ritesh Batra porträtiert zwei Suchende, die viele neue Anregungen, jedoch nicht auf direktem Wege zueinander finden.
Gilt also fürs Finale das alte Brecht-Zitat „Der Vorhang zu und alle Fragen offen“? Nein: Die Fragen, die dieser famose Film aufwirft, sind großteils beantwortet. Doch die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben – die bleiben offen.