GESAMTEINDRUCK: Die Wiener Filmemacherin Jessica Hausner spielt im auf Englisch gedrehten Science-Fiction-Drama „Little Joe“ sehr gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauer, bietet Spannung bis zum Ende und Bilder, die man nicht vergisst.
DIE STORY: „Little Joe“ erzählt von der Wissenschaftlerin Alice (Emily Beecham), die in einem Labor eines Tages auf dem Weg ist, eine Pflanze zu züchten, die angeblich glücklich macht. Die ersten Tests verlaufen vielversprechend. Aber dann geht irgendetwas schief. Die Pflanze wird bedrohlich – sie stellt mit den Menschen, die mit ihr in Kontakt kommen, noch viel mehr an. Aber wie kann man sie stoppen?
DIE STARS: Die Autorin und Regisseurin Jessica Hausner („Lourdes“, „Amour Fou“) wurde dieses Jahr mit „Little Joe“ vom Festival Cannes in den Wettbewerb um die Goldene Palme eingeladen. Ihre englische Hauptdarstellerin Emily Beecham („28 Weeks Later“) gewann dort den Preis für die beste Schauspielerin: Als Alice spielt sie die Zerrissenheit zwischen überforderter Mutter und gnadenloser Wissenschaftlerin grandios.
An Beechams Seite beeindrucken Ben Whishaw (der neue Q in den „Bond“-Filmen) und Kerry Fox („Intimacy“) in kleineren, doch intensiven Auftritten. Der 15-jährige Nachwuchs-Mime Kit Connor (in „Rocketman“ spielt er den jungen Elton John) stiehlt als Sohn von Alice allen anderen immer wieder die Show.
DIE KRITIK: Gärtner wissen es längt: Wer mit Pflanzen spricht, der sorgt für sein und ihr Wohlbefinden. Das Glück ist ein ständiger Begleiter bei der Arbeit im Grünen. Dass so etwas bei ungesundem Ehrgeiz aber auch gehörig schief gehen kann, davon erzählt Jessica Hausner in ihrem neuen Film.
„Little Joe“ spielt wahrscheinlich in der näheren Zukunft, obwohl das nie explizit erwähnt wird. In Liverpool arbeitet die alleinerziehende Gentechnikerin Alice (Emily Beecham) in einem Labor an einer neuen Pflanze. Ihre Idee: Wer sich um die wunderschön rot blühende Blume kümmert, sie warm hält und mit ihr redet, der wird mit einem rötlichen Staub belohnt, der einen glücklich macht, wenn man ihn einatmet. Alice und ihre Kollegen wollen die Pflanzen auf einer Messe vorstellen und dann in viele Schulen und Krankenhäuser bringen, damit sie dort Glück verbreiten können.
Eines Tages nimmt Alice eine der Pflanzen – obwohl es streng verboten ist – mit nach Hause zu ihrem Sohn Joe (Kit Connor darf als Schreckenskind für Gänsehaut-Momente sorgen wie die Knaben im Austro-Schocker „Ich seh, ich seh“ vor einigen Jahren). Der Name für die Blume ist schnell gefunden: Little Joe. Alices Sohn scheint sich mit ihr schnell anzufreunden. Was Alice allerdings nicht bemerkt: Jeder, der mit der Pflanze in Berührung kommt, verändert sein Wesen. Oder ist das nur Einbildung – eine Folge von Stress? Wird alles besser, wenn das Team um Alice und Chris (Ben Wishaw) die Präsentation hinter sich gebracht hat?
Jessica Hausner ist mit „Little Joe“ eine unfassbar schöne (und zugleich schreckliche) Versuchsanordnung gelungen über das, was passiert, wenn die Wissenschaft zu weit geht.
Der Kameramann Martin Gschlacht zaubert - wieder einmal - Bilder von großer Kraft und Klarheit auf die Leinwand. Tanja Hausner (die Schwester der Regisseurin) liefert irre schöne Kostüme, die perfekt die Stimmung des Films unterstreichen.
Das I-Tüpfelchen aber ist die Musik von Teiji Ito. Die reicht von atonalen Passagen über faszinierende Klangflächen bis zu Kreischen und wird von Jessica Hausner klug in den Momenten eingesetzt, in denen der Horror kurz davor steht, in die Realität einzubrechen.
„Little Joe“ ist sicher nicht die Art von Science Fiction, auf die ein junges Blockbuster-Publikum abfährt. Dazu ist der Film zu kühl inszeniert und nicht darauf aus, in erster Linie zu unterhalten. Wie schon bei ihrem bisher stärksten Film „Lourdes“ stellt Jessica Hausner Fragen, die wir schön selbst beantworten sollen.
IDEAL FÜR: Fan von ruhig erzählten Dystopien.