GESAMTEINDRUCK: „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ ist ein edel inszeniertes Rennfahrer-Epos über die einstige Rivalität zwischen Ford und Ferrari im Sportwagen-Bereich, das mit seinen tollen Bildern und großartigen Schauspielern nicht nur Autonarren zu begeistern weiß.
DIE STORY: Kalifornien um 1960. Der Rennfahrer Carroll Shelby (Matt Damon), der 1959 die
24 Stunden von Le Mans gewann, muss wegen eines Herzleidens seine Karriere aufgeben und wird zum Rennwagen-Konstrukteur. Zur gleichen Zeit versucht Ford, durch den Kauf von Ferrari sein Biedermann-Image abzulegen, wird aber von den Italienern brüsk zurückgewiesen. Darauf engagiert Henry Ford II (Tracy Letts) den Konstrukteur Shelby: Er soll einen Boliden entwickeln, der Ferrari in Le Mans schlagen kann. Shelby muss nicht nur technische Probleme lösen. Die Anzugträger aus Detroit wollen seinen engen Freund und besten Fahrer, den rüpelhaften Ken Miles (Christian Bale), aus dem Cockpit vertreiben.
DIE STARS: Mit Matt Damon („Der Marsianer“) und Christian Bale („The Fighter“) sind in „Le Mans 66“ zwei Oscar-Preisträger in den Hauptrollen am Start.
Regisseur James Mangold, der 2018 für das X-Men-Drama „Logan – The Wolverine“ eine Oscar-Nominierung erhielt, hat den Film bis in die kleinen Rollen luxuriös besetzt. Man erlebt brillantes Spiel von Tracy Letts („Lady Bird“) als Konzernlenker Henry Ford II, von John Bernthal („The Wolf Of Wall Street“) als Ford-Manager Lee Iacocca, von Remo Girone („Allein gegen die Mafia“) als Enzo Ferrari sowie von Caitriona Balfe („Outlander“) als Rennfahrer-Gemahlin Mollie Miles.
DIE KRITIK: Manchmal schickt sich das Kino an, die Binsenweisheit, wonach das Leben die besten Geschichten schreibt, mit großen Filmen zu bestätigen. „Le Mans 66“ ist so ein Fall.
Die Rivalität zwischen dem Familienkutschen-Hersteller Ford und der Sportwagen-Schmiede Ferrari hat es in den 1960er Jahren wirklich gegeben (im Original heißt der Film „Ford v Ferrari“). Der Konstrukteur Carroll Shelby, der Ford einen konkurrenzfähigen Boliden baute, genießt unter Eingeweihten bis heute einen legendären Ruf. Genauso wie der rasante, aber raue Rennfahrer Ken Miles, den Shelby gegen alle Widerstände bei Ford als Piloten bei den
24 Stunden von Le Mans durchsetzte.
Vordergründig dreht sich in „Le Mans 66“ also alles um drehende Räder. Aber dies ist auch eine Geschichte über Freundschaft und Familie, über Macht und Intrige, über hochfliegende Pläne und niederschmetternde Rückschläge. Regisseur James Mangold und seine drei Skript-Autoren haben all diese Zutaten zu einem raffinierten Drama verknüpft, das auch jene Zuschauer fesseln wird, denen Auto-Leidenschaft ein Fremdwort ist.
Das großartige Ensemble treibt die Story voran. Matt Damon und Christian Bale tragen den Film mit leichter Hand durch alle Stationen, wobei Bale als exzentrischer und schwer zu bändigender Rennfahrer Ken Miles die effektvollere Rolle hat als Matt Damon, der den Konstrukteur Carroll Shelby als ruhigen, aber extrem zielbewussten Technik-Guru porträtiert. Die beiden Darsteller arbeiten facettenreich heraus, wie Shelby und Miles von distanzierten Partnern zu engen Freunden werden. Christian Bale bekommt auch sehr gefühlvolle Familien-Szenen, die das ungemein enge Verhältnis dieses spröden Mannes zu seiner smarten Gemahlin Mollie (Caitriona Balfe) und seinem Teenager-Sohn Peter (Noah Jupe) spüren lassen.
Eine Klasse für sich sind die Einblicke in die starren Konzern-Strukturen bei Ford. Tracey Letts thront als Firmenlenker Henry Ford II unnahbar über dem Geschehen, hat aber auch emotionale Momente, in denen er vom Eisberg zum Vulkan mutiert. Jon Bernthal ist großartig als junger Management-Visionär Lee Iacocca (der später zum Boss von Chrysler werden sollte). Er hat aber mit den internen Widerständen des Apparats bei Ford zu kämpfen, der hier durch den intriganten Karrieristen Leo Beebe (Josh Lucas) verkörpert wird.
Regisseur James Mangold, der schon mit der Johnny-Cash-Biografie „Walk The Line“ bewies, wie perfekt ihm realistische Dramen liegen, inszeniert mit Esprit und großer Liebe zum Detail. Die Settings sind umwerfend schön. Die Szenen konzentrieren sich nicht nur auf die Hauptdarsteller, sondern geben auch den Nebenfiguren Gelegenheit, mit kleinen Gesten oder Geistesblitzen zu glänzen. Was den Reiz der ganzen Angelegenheit noch zusätzlich erhöht.
So eilt der Film dem titelgebenden Rennen von Le Mans im Jahr 1966 entgegen, in dem das große Duell zwischen den Ferraris und dem Ford GT 40 steigt. Diese Sequenzen sind atemraubend gefilmt (Kamera: Phedon Papamichael), wobei der Blickwinkel immer wieder zwischen Außensicht und Fahrer-Perspektive wechselt.
Das 24-Stunden-Rennen von 1966 führte, wie Insider wissen, zu einem sehr speziellen Zieleinlauf. Wer die Story nicht kennt, sollte aber davon absehen, vor dem Kinobesuch im Internet zu recherchieren. Denn sonst zerstört man sich selbst die Spannung eines Finales, das in die Motorsport-Geschichte eingegangen ist und das alle Emotionen dieses großen Films noch einmal zusammenfasst.
IDEAL FÜR: alle Motorsport-Freunde, alle Autonarren – und für alle Filmfans, die mit Autos nichts am Hut haben, doch großartige Storys lieben.