DIE STORY: Die Doku „Lampedusa im Winter“ erzählt vom Leben auf der italienischen Insel Lampedusa, die durch ihre exponierte Lage – Afrika ist näher als Sizilien – zu einem der Hotspots der Flüchtlingsbewegung wurde. Einerseits geht es um die Schicksale der Migranten, die auf der Insel sehr viel Hilfe und Solidarität bekommen. Andererseits geht es aber auch um die lokalen Probleme der Einheimischen, die sich von der italienischen Politik vernachlässigt fühlen.
DIE STARS: Keine Stars. Der Wiener Regisseur Jakob Brossmann, 29, legt mit „Lampedusa im Winter“ seinen ersten abendfüllenden Film vor. Brossmann, der Bühnen- und Filmgestaltung studierte, arbeitet nicht nur beim Film, sondern als Bühnenbildner und Regisseur auch am Theater.
DIE KRITIK: Am Beginn und am Ende von „Lampedusa im Winter“ hört man zwei Funksprüche, die von Flüchtlingen auf hoher See abgesetzt wurden. Im einen Fall gelingt es den Helfern aus Lampedusa, die Menschen zu retten. Im anderen finden sie keine Spur eines Flüchtlingsboots.
Die Bewohner der kleinen Insel, das ist eine Kern-Botschaften der Doku, unternehmen alle Anstrengungen, um Migranten in Sicherheit zu bringen. Zugleich müssen sie damit leben, dass das nicht immer gelingt: „Wenn etwas passiert, sind wir die einzigen, die trauern“, heißt es einmal.
„Lampedusa im Winter“ ist ein Film, der nicht kommentiert, nicht polemisiert und auch nicht anklagt, sondern der in bestem Reportage-Stil zeigt, was Sache ist. Dadurch entfaltet die Produktion besonders starke Wirkung. Die Zuschauer können sich selbst ein Bild von der abgeschiedenen kleinen Insel machen, die durch ihre geografische Position immer wieder in die Schlagzeilen kommt.
Man erlebe die Ankunft der Flüchtlingsboote nicht als „Invasion“, sagt eine Frau im Film. Menschlichkeit ist ganz offensichtlich Trumpf: Man hilft den Ankömmlingen, so gut es eben geht, man geleitet sie auf ihren Weg weiter nach Europa. Und man kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten.
Die Doku zeigt die Insel nicht nur als Drehscheibe der Migration. Regisseur Jakob Brossmann rückt auch den Insel-Alltag ins Bild. Das Training der Fußballer zum Beispiel. Brossmann hört den Ansagen im lokalen Pop-Radio zu. Er fährt mit den Fischern aufs Meer hinaus und er berichtet von einem Problem, das die Einheimischen wirklich aus der Bahn wirft: Die alte Fähre, die Lampedusa mit Sizilien verbindet, ist nach einem Maschinenbrand nicht mehr einsatzfähig. Die Ersatzfähre ist zu klein. Die Fischer können ihren Fang nicht mehr komplett nach Sizilien liefern und sehen ihre Existenz bedroht: „Die wollen, dass wir Lampedusa verlassen!“, schimpft ein Bürger bei einer Protestversammlung.
So erzählt „Lampedusa im Winter“ viele Alltagsgeschichten, die dadurch aus dem gewohnten Rahmen fallen, dass es bei den Fahrten der Flüchtlinge stets um Leben und Tod geht. Die Bürger von Lampedusa (und damit auch der Film) machen Mut: Es zeigt sich, dass Xenophobie und Fremdenhass auf der Insel keinen Platz haben. Dort, wo die Schicksale der Migranten nicht in Zahlen abgehandelt werden, sondern ein Gesicht bekommen, wächst nicht die Ablehnung, sondern die Solidarität. Sehenswert.
IDEAL FÜR: alle, die sich mit dem Thema der Migration beschäftigen.