DIE STORY: Das auf eine bedrückende Weise grandiose Drama „Kreuzweg“ erzählt von den Leiden eines Teenager-Mädchens namens Maria (Lea van Acken), das durch christlichen Fundamentalismus komplett aus der Lebensbahn geworfen wird. Marias Unglück beginnt im Elternhaus durch ihre bigotte und bösartige Mutter (Franziska Weisz), der jede Form von Lebensfreude als Teufelszeug erscheint.
Daheim gilt die Regel: Alles verboten. Popmusik ist Satanswerk, Kontakte nach außen werden streng überwacht oder komplett untersagt. Im Firm-Unterricht wird Maria von einem fanatischen und gemeingefährlichen Pater (Florian Stetter) zurerzogen, für den sie in die Schlacht ziehen soll. Das bedauernswerte Mädchen, von allen Seiten bedrängt, flüchtet sich in einen Glaubenswahn hinein, der schließlich ein letales Ende nimmt.
DIE STARS: Die 14-jährige Neuentdeckung Lea van Acken legt als Maria in ihrer ersten Filmrolle eine mehr als eindrucksvolle Talentprobe ab. Die Wienerin Franziska Weisz, deren Karriere in Ulrich Seidls nicht gerade keuschem Sommerdrama „Hundstage“ begann, beeindruckt mit dem Porträt einer in ihrer christlichen Radikalität furchterregenden Mutter. Florian Stetter, der in „Kreuzweg“ einen ultraorthodoxen Geistlichen spielt, zeigt demnächst im neuen Dominik-Graf-Film „Die Geliebten Schwestern“, dass er leiblichen Genüssen durchaus nicht abgeneigt ist: Dort tritt er in der Rolle des Dramatikers Friedrich Schiller auf, der ein lustvolles Dreiecksverhältnis eingeht.
DIE KRITIK: „Kreuzweg“ ist ein beklemmendes Drama über die furchtbare Wirkung, die religiöser Fundamentalismus entfalten kann – auch im Christentum. Das Drama zählte zu den Höhepunkten der Berlinale 2014. Die Filmemacher, die Geschwister Anna (Buch) und Dietrich Brüggemann (Buch & Regie), wurden mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ausgezeichnet.
„Kreuzweg“ beeindruckt einerseits mit einer stringenten Story. Die Sympathien des Publikums fliegen sehr rasch der jungen Maria zu, doch man muss quasi hilflos mitansehen, wie sie durch ihren radikalen Glauben (und die Menschen, die ihr diese düstere Form des Christentums einimpfen) mit eiserner Konsequenz dem Abgrund entgegengeht.
Die Spielhandlung wird filmisch durch eine sehr strenge, aber faszinierende Form ins Bild gerückt. Wie der christliche Kreuzweg hat auch der Film 14 Stationen, wobei Kameramann Alexander Sass nicht gerade extrem gefordert ist: Jede Station hat nur eine Kamera-Einstellung. Meist ändert die Kamera ihre Perspektive nicht. Nur in zwei Szenen gibt es einen kleinen Schwenk.
Für das Ensemble muss diese Arbeitsweise sehr anstrengend gewesen sein: Bei einer Filmlänge von 110 Minuten bedeutet das, dass jede Szene im Schnitt knapp acht Minuten dauert (und beim Dreh, wenn etwas nicht optimal geriet, in kompletter Länge wiederholt werden musste).
Das formale Experiment der Geschwister Brüggemann ist aber voll aufgegangen. Trotz seiner starren Bilder erzählt der Film eine sehr bewegliche (und bewegende) Tragödie, die im Namen Gottes aus einer extrem starren Ideologie heraus entsteht.
IDEAL FÜR: Fans von Arthaus-Filmen und für Zeitgenossen, die ein Drama über die düstersten Aspekte des christlichen Glaubens interessiert.