Joy

Im Kreislauf aus Armut, Sex und Gier


FilmClicks:
Joy (Joy Alphonsus) arbeitet als Prostituierte in Wien © Filmladen
GESAMTEINDRUCK: „Joy“ ist ein vielfach preisgekröntes Drama über die Situation von Afrikanerinnen in Wien, die als Prostituierte arbeiten, um zu überleben.
 
DIE STORY: Die Nigerianerin Joy (Joy Alphonsus) ist eine Prostituierte, die in Wien auf den Straßenstrich geht. Den Großteil ihrer Einnahmen muss sie ihrer Madame (Angela Ekeleme) abliefern – mit dem Rest unterstützt sie ihre Familie in der Heimat. Die Madame, eine Zuhälterin, wird ihr erst die Freiheit geben, wenn sie die 60.000 (!) Euro abbezahlt hat, die angeblich die Reise von Nigeria nach Österreich kostete. Da sie keinen Ausweg weiß, integriert sich Joy in das System und übernimmt auch die Aufgabe, die blutjunge und frisch zugereiste Precious (Mariam Precious Sansui) zu betreuen, die sich anfangs gegen die Tätigkeit als Prostituierte sträubt.

Unterwegs in die Nacht: Precious (Mariam Precious Sansui) und Joy © Filmladen

DIE STARS: Regisseurin Sudabeh Mortezai – geboren im deutschen Ludwigsburg, aufgewachsen in Teheran und Wien – machte 2014 mit ihrem ersten Spielfilm „Macondo“ Furore, der im Wettbewerb der Berlinale Premiere hatte und später, von Hongkong bis San Cristobal de las Casas, Preise im Festival-Circuit gewann.
Ihr neuer Film „Joy“ kam im September 2018 in einer Nebenreihe des Festivals Venedig heraus. Seither wurde „Joy“ bei wichtigen Festivals ausgezeichnet. Unter anderem in London (bester Film), Chicago (Spezialpreis der Jury) und Marrakesch (Hauptpreis) sowie bei der Viennale (Wiener Filmpreis) und dem Ophüls-Festival Saarbrücken (Preis für einen gesellschaftlich relevanten Film; beste Nachwuchs-Darstellerin: Joy Alphonsus).
Die DarstellerInnen sind überwiegend Laien, die erstmals in einem Film mitwirken. Sie spielen großartig.

Die Madames begutachten ein neu nach Wien gekommenes Mädchen © Filmladen

DIE KRITIK: „Der Stärkere wird überleben. Vertrau‘ niemandem, auch nicht mir. Genauso wenig, wie ich dir vertraue.“ Diese Sätze sind die erste Lektion, welche die junge Prostituierte Precious von ihrer Kollegin Joy erhält. „Joy“, der Film, lenkt den Blick auf einen Mikrokosmos menschlicher Ausbeutung, in dem die meisten Teilnehmer Opfer und Täter zugleich sind. Und in dem die Frauen auch auf der Täterseite eine große Rolle spielen. Von weiblicher Solidarität ist in dem Drama kaum die Rede.
Mit dieser Prämisse verlässt „Joy“ das Feld, auf dem die meisten Filme über die große Migrationsbewegung ablaufen. Hier geht es nicht um Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung flüchten. Hier geht es auch nicht um mafiös organisierte Menschenhändler-Ringe.
„Joy“ skizziert Strukturen in Nigeria, wo bettelarme Familien ihre Töchter nach Europa schicken. Im Wissen, dass die Mädchen dort Sexarbeit leisten müssen. Doch die Schecks aus Europa erleichtern den Familien die Existenz. Und am Zielort der Mädchen, im Fall von „Joy“ also in Wien, sorgen die ebenfalls zugereisten Zuhälterinnen dafür, dass das Geschäft möglichst reibungslos abläuft.
Da es um Prostitution geht, ist natürlich auch männliche Gewalt im Spiel. In der hässlichsten Szene muss man bei einer Vergewaltigung zuhören, mit der ein Mitarbeiter der Madame die renitente Novizin Precious gefügig macht. Ein andermal sieht sich Joy in der Nacht gleich drei Männern gegenüber, die nach brutalem Sex gieren.
Aber „Joy“ ist keine moralisierende Attacke gegen die Sexarbeit, sondern ein analytisch beobachtetes Dokudrama über einen unheilvollen Kreislauf, der aus Armut, Sex, Gier, Betrug und Skrupellosigkeit gespeist wird. Und in dem etliche Seitenthemen für zusätzliche Fliehkräfte sorgen. Fremdenrecht und Asyl etwa. Juju- und Perchten-Zauber. Kinder und Zukunftspläne.
Die famose Autorin/Regisseurin Sudabeh Mortezai erzählt den Film ganz aus der Perspektive ihrer Hauptfigur Joy. Sie schuf eine packende realistische Filmreportage, deren Protagonistinnen ihren Existenzkampf angenommen haben und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Wobei sie in heiteren Momenten eine große Portion Lebensfreude verströmen können.
Für Sentiment und Rührung ist da wenig Platz. Der Film liefert keinen Entwurf für den Weg zu einer besseren Welt, sondern er zeigt einen Ausschnitt der Welt so, wie sie ist. Ganz schön hart.
 
IDEAL FÜR: FreundInnen von starken Sozialdramen und von herausragenden Filmen aus Österreich. 






Trailer
LÄNGE: 99 min
PRODUKTION: Österreich 2018
KINOSTART Ö: 18.01.2019
REGIE:  Sudabeh Mortezai
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 14


BESETZUNG
Joy Alphonsus: Joy
Mariam Precious Sansui: Precious
Angela Ekeleme: Madame