Jack
Gefährliche Liebschaften
DIE STORY: Regisseurin Elisabeth Scharang rollt im Kino-Drama „Jack“ noch einmal den Fall Jack Unterweger auf. Der Steirer wurde 1976 wegen des Mordes an einer jungen Frau zu lebenslänglicher Haft verurteilt und begann im Gefängnis, zu schreiben. Österreichs Kulturszene wurde auf seine Texte aufmerksam und setzte sich für die Freilassung Unterwegers ein.
1990 war es so weit. Der „Häfnpoet“ durfte das Gefängnis auf Bewährung verlassen und wurde von der Wiener Schickeria mit offenen Armen empfangen. Allerdings begann bald darauf eine Serie von elf Morden an Frauen, die mit Unterweger in Verbindung gebracht wurden. Er kam erneut ins Gefängnis. Wegen neun dieser Morde wurde Unterweger, der nie gestand, 1994 in einem Indizienprozess in erster Instanz verurteilt. In der Nacht nach der Urteilsverkündung beging er in seiner Zelle Selbstmord.
DIE STARS: „Jack“ ist hervorragend besetzt. Mit Johannes Krisch in der Titelrolle, Birgit Minichmayr (als Reporterin) und Paulus Manker (als Psychologe) sind drei der führenden Bühnenschauspieler Österreichs auf der Leinwand zu sehen. Corinna Harfouch steht stellvertretend für jene Damen der Gesellschaft, die nur zu gern eine gefährliche Liebschaft mit Unterweger eingingen. Inge Maux macht als Jacks Mutter klar, dass auch die problematische Mutterbeziehung des Mannes ihren Teil zum problematischen Leben Unterwegers beitrug.
DIE KRITIK: Elisabeth Scharang, die Autorin und Regisseurin von „Jack“, hat einen schönen Macho-Spruch als Regie-Statement aufgeschrieben: „Bevor du einen Mann verurteilst, steig‘ in seine Stiefel und geh‘ damit die Straße entlang.“
Na denn. Von den sadistischen Tiefen des ersten (und einzig gestandenen) Mordes bis zum halbseidenen Glanz der gehobenen Wiener Adabei-Gesellschaft, die sich mit dem „Häfen-Poeten“ schmückte, marschiert die Filmemacherin Seite an Seite mit ihrem Protagonisten dahin. „Jack“, der Film, zeigt die erotisch-bedrohliche Coolness, mit der Unterweger viele Damen betörte. Er zeigt das sensationsgeile Interesse der Medien an dem (scheinbar?) perfekt resozialisierten Frauenmörder und er zeigt auch, wie sehr Jack Unterweger den plötzlichen Ruhm, der ihm nach seiner Freilassung widerfuhr, genoss.
Das Ensemble, angeführt von Johannes Krisch, beweist große Schauspielkunst. Die Musiker von Naked Lunch liefern einen kühl köchelnden Soundtrack dazu.
Doch trotz aller künstlerischer Qualitäten wirkt der Film nicht nur kühl und cool, sondern oft eiskalt. Das mag am Grundproblem der Produktion liegen: Was Elisabeth Scharang offenkundig am meisten interessiert, ist die Frage, ob Jack Unterweger die ihm zur Last gelegten Serienmorde begangen hat – oder eben nicht. Man hat das Gefühl, dass der Regisseurin die Antwort „hat er nicht“ lieber wäre. Nur lässt sich halt weder das eine noch das andere mit Bestimmtheit sagen, weil Unterweger tot ist und weil das Verfahren nach seinem Selbstmord eingestellt wurde.
Dieses Dilemma wird auf der Leinwand vor allem an der Titelfigur deutlich: „Jack“ porträtiert weder einen Serienmörder noch einen Unschuldigen, sondern einen Mann, der immer wieder zu Bekenntnissen (nicht Geständnissen!) ansetzen will, aber auf halbem Wege stoppt. Denn es sind halt nicht Unterwegers Gedanken, die aus Johannes Krisch sprechen, sondern jene Sätze, die sich Elisabeth Scharang im Drehbuch für ihn ausgedacht hat.
So bleibt der Film im Ungefähren stecken, weil er die Rätsel, die er anspricht, nicht lösen kann. Die Wirkung von „Jack“ ist damit unvergleichlich schwächer als jene der Wiener Musiktheater-Produktion „The Infernal Comedy“ in der John Malkovich 2009 Jack Unterweger porträtierte. Malkovich war im Stück von Michael Sturminger und Martin Haselböck eine magische Figur zum Fürchten. Johannes Krisch, der hervorragend spielt, bleibt diese Intensität aus den eingangs genannten Gründen versagt.
IDEAL FÜR: alle, die der Fall Unterweger bis heute fasziniert.