Im weissen Rössl - Wehe, du singst!
Ein Welterfolg wird zerlegt
DIE STORY: Der Zahlkellner Leopold ist unsterblich verliebt in die resche Josepha, die Wirtin des „Weissen Rössl“ am Wolfgangsee. Josepha hat ihr Herz jedoch an den Gast Dr. Otto Siedler verschenkt. Leopold lässt sich davon freilich nicht abhalten. Er… Stop! Das ist die Story von „Im weißen Rössl“, dem Singspiel von Ralph Benatzky aus dem Jahr 1930, das die ganze Welt eroberte. Der neue Film mit dem Titel-Zusatz „Wehe, du singst!“ widmet dem Hauptstrang der Handlung wenig Beachtung und lässt die Geschichte im Berlin von heute beginnen. Dort wird Ottilie Giesecke - auf der Bühne sonst eine Nebenfigur - von ihrem Freund verlassen und folgt ihrem Vater Wilhelm verdrossen zu einem Urlaub im Salzkammergut. Untergebracht im „Rössl“, erlebt sie bald neue amouröse Verwicklungen. Allerdings stört es sie mächtig, dass ständig gesungen wird.
DIE STARS: Bei diesem Singspiel-Ensemble von Stars zu sprechen, ist ein bissl übertrieben. Zu sehen sind bewährte Kräfte aus Deutschland und Österreich, die in Spielfilmen oder TV-Produktionen zu Recht Karriere gemacht haben. Doch das Singen ist ihre Sache großteils nicht. In einer „Rössl“-Bühnenproduktion hätten Diana Amft (Ottilie), Fritz Karl (Leopold), Edita Malovcic (Josepha) oder Armin Rohde (Wilhelm) kaum eine Chance. Für Gregor Bloéb (Sigismund) und Tobias Licht (Otto) gilt das nicht: Sie singen passabel.
KURZKRITIK: „Im weissen Rössl – Wehe, du singst!“ ist ein Musterbeispiel dafür, wie man sich der Operettenwelt nicht nähern sollte. Das Buch von Jan Berger zerlegt das gefühlvoll-satirische Stück in alle Einzelteile, ohne sie wieder passend zusammen zu bauen. Die Inszenierung des Kino-Debütanten Christian Theede ist frei von Charme, aber reich an schepperndem Holzhammer-Klamauk. Die meisten Darsteller sind wegen ihrer Gesangsprobleme im falschen Film. Und die Modernisierung der berühmten „Rössl“-Evergreens in Richtung Schlager oder Disko-Pop klingt im Vergleich zu den Original-Arrangements meist schaurig.
IDEAL FÜR: „Rössl“-Fans, die staunend miterleben wollen, was man dem schönen Stück angetan hat. Zum Ausgleich empfehlen wir den Besuch der sensationellen, sinnlichen und saukomischen „Rössl“-Inszenierung von Joseph Ernst Köpplinger, die nach der umjubelten Premiere in München jetzt an der Oper Graz zu sehen ist.
FilmClicks Kritik. „Im Weissen Rössl am Wolfgangsee“, das weiß nun wirklich jeder, „dort steht das Glück vor der Tür / und ruft dir zu: Guten Morgen / tritt ein und vergiss deine Sorgen.“
Diese Verse, das weiß auch jeder, werden nicht gerufen und nicht aufgesagt, sondern
gesungen. Denn „Im Weissen Rössl“ ist ein
Singspiel; noch dazu eines, in dem ein Ohrwurm („Im Salzkammergut da ka‘ mer gut“) den nächsten („Was kann der Sigismund dafür“) jagt. Welchen Sinn mag es haben, dieses Singspiel auf eine Weise neu ins Kino zu bringen, welche die Warnung „Wehe, du singst!“ erfordert?
Der Kinobesuch zeigt: Es hat überhaupt keinen Sinn. In 98 quälenden Minuten wird man Zeuge, wie ein perfekt konstruiertes Bühnen-Vehikel komplett auseinandergenommen und auf sehr seltsame Weise neu montiert wird. Das Leading Team (Buch: Jan Berger; Regie: Kino-Debütant Christian Theede) entfernt sich so weit vom Original, als würde es sich für den Besuch im Operettenland genieren.
Das Elend beginnt bei der Story. „Im weissen Rössl“ rankt sich um den Kellner Leopold, der so lange unglücklich in die Rössl-Wirtin Josepha verliebt ist, bis sie ihn schlussendlich doch erhört. Der Film verbannt diesen Handlungsstrang auf ein Nebengleis und holt von dort eine Nebenfigur ins Rampenlicht: Die junge Berlinerin Ottilie, die – frisch von ihrem Freund verlassen – widerwillig mit Papa Wilhelm Urlaub im Salzkammergut macht. Den Charme und den sehr satirischen Witz des Originals sucht man im Drehbuch vergebens.
Bei der Besetzung hat man möglicherweise versucht, einen Kunstgriff von Tim Burton nachzuahmen. Der inszenierte 2005 „Sweeney Todd“, das opernhafteste aller Musicals, mit einem Cast, der außerhalb der Badewanne Gesangsverbot haben sollte. Doch weil seine Darsteller – von Johnny Depp abwärts – hinreißende Schauspieler waren, schafften sie es, dem Grusel-Musical eine (im positiven Sinne) schaurige Note zu verleihen.
Diese schaurige Note (im negativen Sinn) erreicht brutal das Ohr, wenn die sängerischen Anti-Talente aus dem Kino-„Rössl“ ihre Stimme erheben. Diana Amft als Ottilie singt so falsch, dass Gläser zerspringen. Armin Rohde (Wilhelm) und Fritz Karl (Leopold) sind typmäßig gut besetzt – doch ihr Singen schmerzt. Die urbane Edita Malovcic ist im Dirndl der Rössl-Wirtin eine überraschende Wahl. Operettenhafter Gesang ist definitiv nicht ihr Ding.
Allerdings sind operettenhafte Klänge auch nicht gefragt. Martin Gellner & Werner Stranka (Beat 4 Feet), die schon oft bewiesen, dass sie Musicals soundmäßig prächtig aufbrezeln können, scheitern hier am Original-Material. Wenn sie das Lied vom Schönen Sigismund zu einer Disco-Nummer umbauen und „Es muss was Wunderbares sein“ zu einem Schlager mit Rockgitarre, dann klingt das nicht modern, sondern komplett neben der Spur.
Letzteres gilt für den ganzen Film: „Im weissen Rössl – Wehe du singst!“ wird „Rössl“-Fans schreiend davonlaufen lassen. Und jene, die das Singspiel nicht kennen, werden sich wundern, warum so eine fade Love Story mit öder Musik ein Welterfolg werden konnte.