DIE STORY: „Im Keller“. Besser hätte es für Ulrich Seidl nicht laufen können. Der Skandal um die zwei ÖVP-Gemeinderäte, die vor Seidls Kamera in einem Keller voller Nazi-Devotionalien „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ anstimmten, gab dem Film in Österreich einen kräftigen Promotion-Schub.
Wobei Ulrich Seidl versichert, er habe zur Drehzeit gar nichts davon gewusst, dass einige der Sangeskünstler der Volkspartei angehörten. Singen können die Herren, das hört man schon im „Im Keller“-Trailer, übrigens nicht. Das Lied unterm Hitler-Bild klingt ausgesprochen schaurig.
Die Episode im Nazi-Gedenkraum ist nur eine (wenngleich eine sehr wichtige) der Geschichten, die Ulrich Seidl in „Im Keller“ erzählt
. In der ersten Szene sieht man eine Riesenschlange in einem Terrarium, die gerade ein lebendes Meerschweinchen zum Fraß vorgeworfen bekommen hat. Der nächste Keller ist zum Schießen da.
Man begegnet einem scharfschießenden verhinderten Opernsänger und einem scharfschießenden Jäger, der von den kulinarischen Genüssen des „Warzensau-Schnitzels“ berichtet. Man begegnet einer Frau, die in den Keller geht, um dort Babypuppen zu streicheln, und drei anderen Frauen, denen der Keller als Schauplatz dient für sadistischen oder masochistischen oder käuflichen Sex. Nur Zeitgenossen, die ihren Keller für unauffällige Hobbys nutzen (die Modelleisenbahn, den Partyraum) – denen begegnet man in „Im Keller“ kaum.
DIE STARS: Der Star steht in diesem Film hinter der Kamera. Der Wiener Ulrich Seidl ist spätestens seit dem Vorstadtdrama „Hundstage“ (2001) einer der renommiertesten Filmkünstler Österreichs. Für „Im Keller“ hat er sein Team um einen der besten Kameramänner des Landes verstärkt: Martin Gschlacht nahm sehr ruhige, sehr ausdrucksstarke Bilder auf, in deren Rahmen sich die wilden Keller-Existenzen entfalten.
DIE KRITIK: Wer Ulrich Seidls Filme kennt, weiß, was ihn bei „Im Keller“ erwartet. Die Darstellung des sogenannten normalen Lebens ist Seidls Sache nicht. Ihm geht es, wie er selbst sagte, um den „Keller als Ort der Dunkelheit, der Angst, des Missbrauchs und des Einsperrens.“
Zwar wird in seinem Film niemand eingesperrt (von der Schlange und dem Meerschweinchen abgesehen), aber Düsternis verströmen die gezeigten Menschen und ihre Beschäftigungen allemal. Wobei neben der Filmkunst des Regisseurs auch sein Talent zu bewundern ist, Menschen davon zu überzeugen, ihre sinistren Liebhabereien öffentlich auf der Leinwand auszustellen.
Was treibt den freundlichen Blasmusiker, der seinen Keller nazimäßig ausstattete, mitsamt seinen (ÖVP-)Freunden vor die Kamera? Welche Lust bringt es dem masochistisch gesinnten Sicherheitsmann eines großen Theaters, sich öffentlich von seiner gemütlichen Gemahlin („ich liebe ihn abgöttisch“) auf das Schmerzhafteste quälen zu lassen?
Bei den Obsessionen der Männer im Film ist hauptsächlich Gewalt im Spiel (das Schießen, die Nazi-Ideologie, die Trophäensammlung des Großwild-Jägers). Bei den Frauen geht es entweder um neurotisch überspannte Mütterlichkeit oder um Sex (neben der Sadistin treten auch eine Masochistin – die bei der Caritas arbeitet - und eine Prostituierte auf). Junge Menschen kommen „Im Keller“ höchstens als Randfiguren vor, attraktive Menschen gar nicht.
Diese Konzentration auf das Dunkle verleiht dem Film, der als gruselig-komische Groteske beginnt, mit der Zeit den Eindruck eines Panoptikums, in dem allerhand Monströsitäten ausgestellt werden. Bald hat man das Strickmuster durchschaut. „Im Keller“ ist eine Art Freak-Parade, der man schwerlich etwas Allgemeingültiges abgewinnen kann.
Der Film, der seine Themen „aus der Wirklichkeit schöpft“ (Ulrich Seidl), zeigt nicht Österreich, wie es ist. Er zeigt obskure und zum Teil sehr schaurige Ausschnitte. Wäre das ganze Land so, müsste man wohl die Flucht ergreifen.
IDEAL FÜR: Fans der Filme von Ulrich Seidl.