DIE STORY: Raue Matrosen und ein wütender Wal: „Im Herzen der See“ ist ein großes Meeres-Abenteuer, das auf einer wahren Geschichte beruht.
Zu Beginn des Films sieht man den Schriftsteller Herman Melville (Ben Whishaw), der einen verstockten alten Seefahrer namens Thomas Nickerson (Brendan Gleeson) besucht. Melville sucht Material für einen Roman, und er weiß, dass er bei seinem Gastgeber fündig werden kann. Nickerson war nämlich einst Schiffsjunge auf dem Walfänger „Essex“, der 1820 im Pazifik von einem Pottwal versenkt wurde.
Herman Melville nahm die Erzählungen Nickersons zum Vorbild für seinen berühmten Roman „Moby Dick“. Hollywood-Regisseur Ron Howard schildert jetzt auf der Leinwand die letzte Fahrt der „Essex“.
DIE STARS: Der zweifache Oscar-Gewinner Ron Howard drehte zuletzt das Niki-Lauda-Drama „Rush“. Chris Hemsworth, der in „Rush“ den Lauda-Konkurrenten James Hunt spielte, klettert jetzt in „Im Herzen der See“ als Erster Maat an Bord der „Essex“. Er ist der Hauptdarsteller, der mit einem schwimmenden Feind zu kämpfen hat, der im Film natürlich aus dem Computer kommt: dem Wal. Die Iren Cillian Murphy und Brendan Gleeson sowie der Brite Ben Whishaw geben kleineren Rollen großes Gewicht.
DIE KRITIK: „Die Tragödie der ,Essex‘ ist eine Geschichte von Männern und einem Ungeheuer“, heißt es imTrailer von „Im Herzen der See“. Natürlich soll der Satz zum Kinobesuch locken. Viel eher aber umreißt er das Dilemma dieses optisch opulenten Films.
Klar, es ist eine große Tragödie, wenn ein Segelschiff in den Weiten des Pazifiks versinkt. Wenn sich die Überlebenden gerade noch auf ein paar kleine Boote retten, in denen sie dann monatelang über das Meer schaukeln – so ausgehungert, dass sie ihre Toten irgendwann nicht mehr über Bord werfen. Sondern verspeisen.
Aber ein Wal als Ungeheuer? Diese Sicht passt vielleicht zu einem Roman wie „Moby Dick“. Aber nicht in die heutige Zeit, in der viele Menschen Wale verehren und den Walfang verachten.
So fehlt „Im Herzen der See“ von Beginn das Antipoden-Paar von Held und Schurke, das für einen Abenteuerfilm unerlässlich ist. Zwar spielt Chris Hemsworth den Maat Owen Chase kompetent als furchtlosen Seefahrer mit Wagemut und stolzem Blick. Aber wenn dieser Chase bei der Waljagd mit Harpunen auf die überraschten Meeresriesen einsticht, kommt das nicht als Heldentat rüber, sondern als Gemetzel.
Dass sich ein Wal dagegen wehrt, abgeschlachtet zu werden – wer könnte es dem Tier verdenken?
Der Film versucht, den Wal zu dämonisieren: Dem Kino-Wal genügt es nicht, die „Essex“ zu Kleinholz zu machen. Der will offenkundig Rache. Auch bei den Rettungsbooten seiner Jäger taucht er immer wieder auf – bereit, die Männer, mit einem neuen Flossenschlag zu versenken. Das klingt mächtig nach Seemannslatein.
Dass die Überlebenden in ihren kleinen Booten fünf Monate lang über den Pazifik trieben und dabei mehr als 6.000 Kilometer zurücklegten, ist hingegen verbürgt. Im Kino muss man viel Zeit mit den Schiffbrüchigen verbringen und kann darüber rätseln, welchen tieferen Sinn die Geschichte vermitteln will. Ich persönlich bin dabei nicht fündig geworden: „Im Herzen der See“ hat keine Botschaften über Mensch und Natur im Talon, über die es sich zu diskutieren lohnt.
Nein: Hier geht es – toll gefilmt und gut gespielt – um Menschen, die Wale jagen. Und um einen Wal, der sich die Jagd nicht gefallen lässt. Das war's dann auch schon.
IDEAL FÜR: Fans des Romans „Moby Dick“, möglicherweise.