GESAMTEINDRUCK: „I, Tonya“ ist die tragikomische und spannende Filmbiografie der Eiskunstläuferin Tonya Harding (Margot Robbie), die 1994 lebenslänglich gesperrt wurde, weil sie in einen Anschlag auf ihre Rivalin Nancy Kerrigan verwickelt schien.
DIE STORY: Von den ersten Schritten auf dem Eis bis zum unrühmlichen Karriere-Ende: „I, Tonya“ schildert die Laufbahn von Tonya Harding aus der Perspektive der Sportlerin. Wie sie, das kleine Mädchen aus der Unterschicht, von ihrer lieblosen Mutter (Allison Janney) zum Training getrieben wird. Wie sie es dank ihres Talents bis zur Vizeweltmeisterin bringt, obwohl man sie in der Eiskunstlauf-Szene als Außenseiterin mobbt. Wie sie mit Jeff Gillooly (Sebastian Stan) den falschen Mann heiratet, der sie schlägt und der dann später das absurd dämlich durchgeführte Attentat auf Nancy Kerrigan auslöst.
DIE STARS: Die Australierin Margot Robbie, die für „I, Tonya“ eine Oscar-Nominierung erhielt, schaffte den Durchbruch 2013 an der Seite von Leonardo DiCaprio in „The Wolf Of Wall Street“.
Allison Janney (sie spielte in 145 Folgen von „The West Wing“ die Pressechefin des Weißen Hauses) wurde für ihre Rolle als furienhafte Mutter von Tonya Harding mit dem Oscar und dem Golden Globe ausgezeichnet.
Margot Robbies Film-Ehemann Sebastian Stan stammt aus Rumänien und lebte als Kind vor der Übersiedlung in die USA vier Jahre in Wien, wo er einen Auftritt in Michael Hanekes „71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls“ hatte. In den „Avengers“- Blockbustern spielt Stan seit 2011 die Rolle des Bucky Barnes alias Winter Soldier.
DIE KRITIK: Als die US-Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan 1994 nach einem Training durch ein Prügel-Attentat schwere Knieverletzungen erlitt, fällte die Sportwelt schnell ihr Urteil. Die Attacke musste auf Kerrigans Rivalin Tonya Harding zurückzuführen sein, deren Ehemann den Coup offenkundig mit einem Freund ausbaldowert hatte. Die Affäre passte zum Image von Tonya Harding, die in den Arenen weniger als Eisprinzessin denn als Eiskunstlauf-Punk auftrat.
Der Film „I, Tonya“ revidiert dieses Bild. Der australische Regisseur Craig Gillespie erzählt die Geschichte eines unglücklichen Mädchens von der falschen Seite der Straße, das im versnobten Eiskunstlauf-Sport gegen jede Menge von Widerständen ankämpfen musste. Tonya Harding wird als hochbegabte, aber auch hochexplosive Sportlerin geschildert, die unfreiwillig zur Skandalnudel wurde. Unter anderem deswegen, weil sie sich freiwillig mit den falschen Typen eingelassen hatte.
Die Eislauf-Arenen sind zwar wichtige Schauplätze dieses mitreißenden Films, aber über weite Strecken ist „I, Tonya“ mehr ein groteskes Sozialdrama denn eine Sportlerinnen-Biografie.
Zu Beginn bemitleidet man die kleine Tonya wegen ihrer durch und durch bösartigen Mutter LaVona, die mit ihrem Kellerinnen-Job zwar die Ausbildung der Tochter finanziert, aber nie ein liebes Wort für das Mädchen hat. Allison Janney spielt diese Frau als kettenrauchendes und häufig angeheitertes (aber nie heiteres) Monster. Großartig – auf eine sehr gemeine Art.
Man kann die 18-jährige Tonya, gespielt von Margot Robbie, dann nur zu gut verstehen, wenn sie der Aufsicht ihrer Erzeugerin rasch entfliehen will. Da hat sie schon ihre ersten Erfolge auf dem Eis gefeiert; der Aufstieg in Richtung Weltklasse ist absehbar. Aber die junge Frau, die Schläge und Niedertracht gewohnt ist, wirft sich einem Mann um den Hals, der Schläge und Niedertracht austeilt. Jeff Gillooly (Sebastian Stan) ist der falscheste Lebenspartner, den sich ein Mädchen wie Tonya nur aussuchen kann.
Margot Robbie agiert famos als begnadete Eisläuferin mit White-Trash-Hintergrund. Egal, ob im Sport oder im Privatleben: Ständig bauen sich neue Hürden vor ihr auf, und die Kämpfernatur Tonya schlägt mit scharfen Worten oder mit der Faust zurück.
Nur für die Attacke auf Nancy Kerrigan, die ihr einen Platz im Olympia-Team wegschnappen könnte, kann Tonya offensichtlich nichts. Was sie allerdings nicht vor der Sperre durch das Eiskunstlauf-Gericht beschützt.
Unterm Strich bietet „I, Tonya“ zwei Stunden großes Kino mit viel Härte, Sentiment und unfreiwillig komischen Passagen. Man muss kein Eiskunstlauf-Fan sein, um diesen Film zu mögen – und man geht mit viel Sympathie für Tonya Harding wieder aus dem Kino heraus.
IDEAL FÜR: Filmfans, die anhand einer ungewöhnlichen Biografie einen Blick hinter die Kulissen des Eissports werfen wollen.