Hüter der Erinnerung - The Giver

Eine unheimliche Welt ohne Gewalt


FilmClicks:
„Hüter der Erinnerung“: Jeff Bridges gibt seine Weisheit an Jonas (Brendon Thwaites) weiter © Studiocanal
DIE STORY: „Hüter der Erinnerung – The Giver“ passt zur Mode jugendlich geprägter Science-Fiction-Dramen wie „Die Tribute von Panem“ oder „Divergent“. Die Handlung führt in eine scheinbar ideale Welt, in der es keine Gewalt, keinen Egoismus und keinen Krieg mehr gibt. Der Lebensweg aller Menschen wird von einem Ältestenrat vorbestimmt. Babys werden ihren leiblichen Eltern weggenommen. Sie wachsen bei Leiheltern auf und bekommen als Teenager einen Beruf zugewiesen.
Allerdings fehlen in dieser schönen neuen Welt alle Gefühle, die zum Menschsein dazugehören: Die Liebe, die Leidenschaft, die Angst, der Zorn. Nur ein weiser Mann, der Hüter der Erinnerung, weiß Bescheid, wie das Leben früher einmal war. Als die Ära dieses Mannes, genannt The Giver, (Jeff Bridges) abläuft, wird der 16-jährige Jonas (Brendon Thwaites) auserkoren, in dessen Fußstapfen zu treten.
In aufregenden, oft auch schmerzhaften Lektionen lernt Jonas, was den Menschen in dieser Gesellschaft vorenthalten bleibt. Der Film wechselt langsam von Schwarz-Weiß-Tönen zu kräftigen Farben – Jonas‘ graue Welt färbt sich bunt.
 
DIE STARS: Mit Jeff Bridges als Hüter der Erinnerung und Meryl Streep als Chefin des Ältestenrats sind die großen Erwachsenenrollen des Films mit Oscar-Preisträgern besetzt. Alexander Skarsgard („Battleship“) und Katie Holmes, die Ex von Tom Cruise, spielen die emotional amputierten Leih-Eltern des jugendlichen Helden Jonas. Dessen Darsteller holte Regisseur Phillip Noyce, der zuletzt mit Angelina Jolie den Actionthriller „Salt“ drehte, aus seinem Heimatland: Der junge Brendon Thwaites stammt so wie Noyce aus Australien.

Die schöne neue Welt von „Hüter der Erinnerung“ kennt zu Beginn keine Farben © Studiocanal

DIE KRITIK: „Hüter der Erinnerung – The Giver“ ist ein Film mit einem bärenstarken Beginn. Wenn die Kamera kühle, ästhetische Schwarz-Weiß-Bilder der keimfreien Friedenswelt liefert, dann möchte man die Figuren um ihr sorgenfreies Dasein beneiden – und zugleich möchte man dort nicht begraben sein.
Denn die Menschen wurden von ihren wohlmeinenden Anführern – offenbar nach einer großen Katastrophe – zu seelenlosen Robotern umgedreht. Der Schreck über das  Vergangene und Verdrängte muss sehr tief sitzen. Kommt etwa ein Junger auf die Idee, zu fragen, was Liebe ist, so wird gleich Alarm geschlagen: „Das ist ein altes Wort, das wir nicht mehr benutzen.“ Doch damit solche Ahnungen und Fragen erst gar nicht entstehen, bekommt jeder Einwohner täglich eine Beruhigungs-Injektion verpasst.
So gesehen eröffnet sich dem jungen Jonas eine Welt ungeheuerlicher Möglichkeiten, als er zum neuen Hüter der Erinnerung auserwählt wird. Er darf seinen Lehrmeister, den Giver, alles fragen. Er darf auch alles erleben und spüren, was den anderen verborgen bleibt. Nur darf er nichts darüber erzählen, dank eines weiteren, höchst zweifelhaften Privilegs: Jonas ist es nun erlaubt, zu lügen.
„Hüter der Erinnerung“ - der Film basiert auf dem gleichnamigen Jugend-Bestseller von Lois Lowry -  zeigt viele interessante Impressionen über das leblose Leben. Regisseur Phillip Noyce bebildert das mit eindrucksvollen Szenen. Der Ausweg aus dieser Existenz gerät dann allerdings ein wenig zum Irrweg.
Jonas erfährt, dass es eine Grenze in ein Anderswo gibt. Und dass die Menschen ihre verschütteten Gefühle zurückerhalten, wenn er als neuer Hüter der Erinnerung diese Grenze überwindet. Also will er dorthin. Doch ihm kommt beim Ausleben seines Abenteuerdrangs erstens die Liebe zu seiner Kindheits-Gefährtin Fiona (Odeya Rush) in die Quere. Und zweitens wird ein Jugendfreund zum Feind, der ihn als Drohnen-Pilot an der Grenzüberschreitung hindern will.
Im Blockbuster-Kino wär’s nun angesagt, diesen gordischen Knoten mit einem actiongeladenen Showdown zu zerschlagen. Der allerdings fehlt hier. „Hüter der Erinnerung“ nähert sich seinem Finale auf leisen Sohlen. Je bunter die Bilder des Films werden, desto blasser verfärbt sich die Geschichte.
So wird aus der großen Vision einer unheimlichen Gesellschaft ohne Gewalt eine kleine Vision des alltäglichen Lebens. Nach kurzen 97 Minuten ist der Film einfach aus. Was bleibt, ist ein etwas schales Gefühl: Man hätte gern noch mehr über die fremde Welt erfahren.
 
IDEAL FÜR: Fans der jungen Science-Fiction-Welle im Kino.






Trailer
LÄNGE: 97 min
PRODUKTION: USA 2014
KINOSTART Ö: 03.10.2014
REGIE:  Phillip Noyce
ALTERSFREIGABE: ab 12


BESETZUNG
Brenton Thwaites: Jonas
Jeff Bridges: Hüter der Erinnerung
Meryl Streep: Chefin des Ältestenrats
Alexander Skarsgard: Vater
Katie Holmes: Mutter
Odeya Rush: Fiona