DIE STORY: Til Schweiger schildert in „Honig im Kopf“ mit oft komödiantischen Mitteln das Drama eines Mannes, der an Alzheimer erkrankt ist.
Als der alte Tierarzt Amandus Rosenbach (Dieter Hallervorden) immer mehr den Überblick über die Welt verliert und obendrein noch Witwer wird, nimmt ihn sein Sohn Niko (Til Schweiger) zu sich nach Hause in die noble Villa. Dort wird der freundliche, aber vollkommen unberechenbare Greis bald zum Nervtöter und zum Gefahrenherd. Seiner Schwiegertochter Sarah (Jeanette Hain) gelingt es in letzter Sekunde, einen Großbrand zu verhindern, als Amandus im Backofen ihre Schuhe brät.
Danach findet sie, es sei genug – und Niko macht sich schweren Herzens auf, einen Heimplatz für seinen Vater zu suchen. Doch die elfjährige Tochter Tilda (Emma Schweiger) ist empört: Opa in ein Heim? Niemals! Bevor Amandus fortgebracht werden kann, haut sie mit dem Alten ab und beginnt mit ihm eine abenteuerliche Fahrt zum Traumziel seiner Jugend: Nach Venedig.
DIE STARS: Deutschlands Superstar Til Schweiger ist, wie gewohnt bei seinen Kino-Hits, in vierfacher Funktion im Einsatz: Als Produzent, Regisseur, Drehbuch-Koautor (mit Hilly Martinek) und Darsteller.
Die Hauptrollen überlässt er diesmal freilich anderen. Dieter Hallervorden gelingt das eindringliche Porträt eines warmherzigen Mannes, der daran verzweifelt, dass er statt klarer Gedanken immer mehr Honig im Kopf hat. Schweigers Tochter Emma zeigt mit viel Witz und Charme, dass sie bereits einen Film tragen kann. Jeanette Hain als Til Schweigers Ehefrau wechselt apart zwischen Coolness und Hysterie.
„Honig im Kopf“ ist bis in die kleinsten Rollen prächtig besetzt. Tilo Prückner gibt einen einfühlsamen Arzt, Katharina Thalbach eine schrille Dame von Welt. Und in Mini-Rollen erlebt man gleich vier Ermittler aus den Krimi-Serien des Fernsehens.
Jan Josef Liefers („Tatort“ Münster) verliert als eitler Macho im Disput mit Til Schweiger einen Zahn. Anneke Kim Sarnau („Polizeiruf 110“ Rostock) klärt als Altenheim-Chefin darüber auf, dass auch Alzheimer-Patienten Sex lieben. Fahri Yardim („Cop Stories“ Wien) weist als türkisch-stämmiger Hamburger in Bozen Amandus und Tilda den Weg nach Venedig. Und Claudia Michelsen („Polizeiruf 110“ Magdeburg) lernt als sittsame Oberin eines Klosters, was man mit Gurken alles machen kann.
DIE KRITIK: Zwei Stunden und 19 Minuten Spieldauer. „Honig im Kopf“ kommt mit schwerer Überlänge daher, wie man sie sonst nur bei ganz großen Kinodramen gewohnt ist. Hätte man die Tragikomödie nicht auch in den üblichen 100 Minuten erzählen können? Offenbar nein. Til Schweiger hat nämlich nicht nur einen Film in seine neue Produktion gepackt, sondern gleich zwei. Der erste Teil ist ein realistisches Drama über die Alzheimer-Krankheit. Der zweite Teil ist ein Märchen.
Der Film beginnt genau in der Mitte. Man sieht die kleine Tilda, die mit ihrem verwirrten Opa Amandus im Zug von Hamburg nach Venedig fährt. Bis nach Bozen haben es die beiden schon geschafft. Der Express fährt wieder an. Da bemerkt Tilda, dass Amandus aus dem Zug geschlichen ist. Sie zieht die Notbremse und rennt dem Alten hinterher – verfolgt von Bahnbeamten und der Polizei.
Rückblende. Amandus hält bei der Beisetzung seiner verstorbenen Ehefrau eine sehr verworrene Ansprache. Seine Wohnung ist ein Saustall. Der kranke Mann kann nicht mehr allein leben, das ist klar. Doch dann sorgt er im Haus des Sohnes dafür, dass auch dort alles aus den Fugen gerät.
Amandus soll die Hecken stutzen – er schneidet sie kaputt. Amandus pinkelt in den Kühlschrank, er zündet den Herd an, er hat tausend originelle Ideen, die ihm gefallen, seinen Mitbewohnern aber nicht. Hier zeigt der Film auf drastische Weise, welche Härten das Leben mit einem Alzheimer-Patienten mit sich bringen kann.
Die Erwachsenen rasten aus – nur die kleine Tilda kommt ihrem Opa immer näher. Und als sie dann beschließt, mit dem Alten nach Venedig durchzubrennen, ändert der Film seinen Ton komplett.
Das Märchen beginnt: Schon der Zug, der Amandus und Tilda gen Italien bringt, ist ein unwirklich altmodisches Museumsstück. Und nach dem Zwischenfall in Bozen nehmen die beiden Reisenden nicht den direkten Weg durchs Tal, sondern sie verirren sich in den Dolomiten. Mal schlafen sie beim Lagerfeuer in der Natur, mal in einem Kloster. Immer wieder begegnen sie guten Geistern, die ihnen weiterhelfen.
Und als sie endlich in Venedig ankommen, ist in der ganzen Stadt nur noch ein Zimmer frei. Eine Suite. Im edlen Hotel Bauer. Um 1.800 Euro pro Nacht. Zufällig haben sich Tildas Eltern, längst auf der Suche nach ihrer Tochter und dem alten Mann, in der Nachbar-Suite einquartiert…
Der Film eilt einem Finale entgegen, das auf sehr, sehr bittersüße Art hart und weich zugleich ausfällt. Warum Til Schweiger so massiv vom Realismus zur Fabel umschwenkt, bleibt schleierhaft. Aber der Mann ist ja nun längst eine eigene Kategorie im deutschsprachigen Kino: Von den Kritikern werden seine Filme häufig verrissen – vom Publikum aber geliebt.
Bei mir hinterließ „Honig im Kopf“ jedenfalls einen zwiespältigen Eindruck. Ich könnte nicht sagen, dass mich der Film nicht berührt hätte. Ich könnte aber auch nicht sagen, dass er mir gefiel. Es gibt viel Interessantes zu sehen. Aber von Vielem zu viel.
IDEAL FÜR: Fans von Til-Schweiger-Filmen und für Filmfreunde, die Dieter Hallervorden in einer großen, schwierigen Rolle sehen wollen. „Honig im Kopf“ liefert auch tiefe Einblicke in das Leben mit Alzheimer.