DIE STORY: „Höhere Gewalt“: Beim Mittagessen auf einer wunderschön gelegenen Terrasse in den französischen Alpen blickt eine schwedische Familie mit zwei Kindern auf ein Naturschauspiel. Ganz in der Nähe ist eine Lawine abgegangen und rast jetzt talabwärts.
Nur wenig später geht das Staunen in Entsetzen über. Denn die Lawine scheint direkt auf die Terrasse zuzukommen. Wie wird die Familie reagieren?
DIE STARS: Gibt es in diesem Film keine. Die Natur gegen die menschlichen Makel. Mehr braucht es für Autor/Regisseur Ruben Östlund nicht, um ein faszinierendes Drama auf die Beine zu stellen. Beim Festival Cannes 2014 gewann die Produktion den Preis der Reihe Un Certain Regard, bei den Golden Globes 2015 gab's eine Nominierung in der Kategorie des besten fremdsprachigen Films.
DIE KRITIK: Es scheint gerade eine sehr gute Zeit für Ski-Filme im Kino zu sein. Erst der reine Bilderrausch bei „Streif – One Hell Of A Ride“. Und nun „Höhere Gewalt“: Der definitive Test, wie man sich verhalten würde, wenn im Urlaub – was ja immer mal der Fall sein kann – etwas passiert.
Eigentlich, so sieht es zu Beginn des Films aus, ist die Ehe von Tomas (Johannes Bah Kuhnke) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) perfekt. Das schwedische Paar leistet sich mit den beiden Kindern einen Urlaub in einem mondänen Ski-Ort.
Doch dann geschieht der Zwischenfall mit der Lawine. Gerade eben noch kann Tomas den Kindern erklären, dass keine Gefahr besteht, weil solche Abgänge generell kontrolliert werden, da wendet sich das Blatt. Die Lawine hält auf die Terrasse zu.
Was dann passiert, wird in den kommenden Minuten wieder und wieder verhandelt. Ebba schnappt sich die Kinder und versucht, sie zu schützen. Da gibt es keine zwei Meinungen. Und ihr Gatte? Der greift zuerst zu Handy und Handschuhen, flüchtet ins Innere des Restaurants. Kommt erst wieder nach draußen, als die Gefahr vorbei ist.
Nun könnte sich Tomas entschuldigen und alles wäre vielleicht wieder gut. Aber der Familienvater leugnet, weggerannt zu sein. Nicht einmal Freunde können ihn dazu bewegen, seine Meinung zu ändern.
Und so muss das Publikum seine Meinung über das Paar langsam revidieren: Offenbar ist diese Ehe doch keine so perfekte. Ein ums andere Mal vergibt Tomas die Chance, zu dem zu stehen, was er getan hat. Bissige Dialoge in Kammerspiel-Atmosphäre, bis auch der Zuschauer beginnt, sich unangenehme Fragen zu stellen. Selten gelingt es Kino, so dicht an der Wahrheit dran zu sein. „Höhere Gewalt“ ist ein Film über die Mächte, die in der Natur und im Menschen toben können. Bravo!
IDEAL FÜR: Menschen, die sich nach Filmen gern fragen: Wie hätte ich gehandelt? Oder: Wohnt der kleine Feigling auch in mir?