GESAMTEINDRUCK: Das Mystery-Gruseldrama „Hereditary – Das Vermächtnis“ bietet angenehm verstörendes Kino mit einer herausragenden Toni Collette und einem etwas enttäuschenden Finale
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DIE STORY: „Hereditary – Das Vermächtnis“ erzählt von einer amerikanischen Familie namens Graham. Nachdem die Großmutter gestorben ist, mehren sich die Anzeichen, dass ein uralter Fluch auf der Familie liegt. Die Frage ist nur, wie man solch ein schreckensreiches Vermächtnis durchbrechen kann, wenn man zunächst einmal überhaupt keine Ahnung hat, worum es da konkret geht.
DIE STARS: Die Australierin Toni Collette beweist in „Hereditary“mal wieder, warum sie zu den besten Schauspielerinnen ihrer Generation gezählt wird. Wie sie die Tochter der Verstorbenen spielt; wie sie erst nur den Tod der Mutter betrauert und dann Stück für Stück dem Wahnsinn verfällt, das ist große Klasse.
An ihrer Seite hat Colette mit Gabriel Byrne einen Ruhepol, der als Einziger in der Familie nicht vom Fluch betroffen ist. Byrne spielt den Familienvater souverän. Der Junior-Star des Films ist die 15-jährige Debütantin Milly Shapiro. Sie hält den Kontakt zu Oma im Reich der Toten – und das ist nicht das einzige gruselige Detail, mit dem sie hier punktet.
DIE KRITIK: „Hereditary – Das Vermächtnis“ ist das neue „Shining“! Am besten noch „Rosemary`s Baby“ dazu gepackt! So klingt es seit einiger Zeit im weltweiten Netz. Völliger Quatsch! Hier hat ein junger Regisseur namens Ari Aster seine Hausausgaben gemacht und einen absolut soliden Gruselfilm auf die Beine gestellt.
Der Begriff Grusel trifft im Fall von „Hereditiary“ wesentlich besser zu als das Wort Horror. Denn der New Yorker Regisseur Aster, der den Film nach vielen tragischen Unglücken in seiner eigenen Familie sozusagen als Therapie inszeniert hat, verzichtet auf die üblichen Bestandteile des Horrorfilms wie viel Blut und Gewalt. Aster geht es in seinem Film um ein Gefühl der Verunsicherung. Jeder, der schon mal einen lieben Menschen verloren hat, dürfte es kennen. Das Gefühl, das sich einstellt, wenn nichts mehr so ist, wie es mal war. Wenn man seine Koordinaten erst wiederfinden muss.
Im Grunde genommen – da liegt der Film auf einer Länge mit dem deutlich besseren „Der Babadook“ – ist „Hereditary“ ein Film über Trauerarbeit. Die Großmutter, das zentrale Element der Familie Graham, ist gestorben. Das Leben läuft langsamer ab als sonst. Alle sind noch stiller und achten viel mehr auf das, was passiert.
In diese Situation pflanzt Aster erste Momente der Verstörung. Ein Zungenschnalzen wird zu einem Schreckmoment. Der Film lebt – zumindest in der ersten Hälfte – von der wunderbaren Überforderung des Zuschauers. Es werden immer mehr Sounds angehäuft, bis man sich als Zuschauer im Kinosessel nicht mehr wohlfühlt.
Irgendwann – und da verlässt der Film dann das Flair des Außergewöhnlichen – bekommt die Geschichte eine konkrete Bedeutung. Es wird benannt, welcher Fluch auf der Familie liegt und wie er bekämpft werden kann.
Ab dieser Stelle nimmt „Hereditiary“ mehr Fahrt auf, wird zum typischen Erklärkino. Das dürfte vielen Zuschauern gefallen, die übliche Genreware mögen. Aber die schlafwandlerische Albtraumstimmung vom Anfang, die ist weg.
IDEAL FÜR: Gruselfans, die auf der Suche nach etwas Neuem und Unerwarteten sind.