DIE STORY: „Hannas schlafende Hunde“ ist ein ungewöhnliches Familiendrama, das im Jahr 1967 im oberösterreichischen Wels spielt. Der Krieg und die Nazi-Diktatur sind seit mehr als 20 Jahren vorbei – doch das Gedankengut von damals spukt noch immer in vielen Köpfen.
Eine jüdische Mutter (Franziska Weisz) zieht es deshalb vor, ihre Identität zu verheimlichen. Gemeinsam mit ihrem katholischen Mann (Rainer Egger) und Tochter Hanna (Nike Seitz) führt sie ein stilles, zurückgezogenes Leben, zu dem der sonntägliche Kirchgang dazugehört.
Die neunjährige Johanna spürt aber instinktiv, dass in der freudlosen Atmosphäre ihres Elternhauses etwas nicht stimmt. Von ihrer blinden Großmutter (Hannelore Elsner) wird sie schließlich über ihre jüdische Herkunft aufgeklärt.
DIE STARS: Die nicht unglamouröse Wienerin Franziska Weisz, neuerdings „Tatort“-Kommissarin in Norddeutschland, beweist einmal mehr, dass sie auch sehr gut verhärmte und verschlossene Frauen spielen kann (mit einer ähnlichen Figur beeindruckte sie schon im Fundi-Christen-Drama „Kreuzweg“).
Hannelore Elsner ist seit Jahrzehnten eine der führenden Schauspielerinnen des deutschen Sprachraums. Mit Johannes Silberschneider („Mahler auf der Couch“), Michaela Rosen („Der Salzbaron“) und Rainer Egger („Die Frau in Gold“) sind erste Kräfte der österreichischen Szene zu sehen.
Regisseur Andreas Gruber, gebürtiger Welser, hinterließ 1994 gleich mit seinem ersten Film, dem KZ-Drama „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“, nachhaltigen Eindruck. Seit 2002 hat er als Professor den Lehrstuhl für Filmregie und Drehbuch an der Hochschule für Film und Fernsehen in München inne.
DIE KRITIK: Dass jüdische Österreicher ihr Judentum vor der Öffentlichkeit verbergen, gehört zum Glück der Vergangenheit an. 71 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur sind die meisten Schatten der Vergangenheit verblasst, wenn nicht gar verschwunden.
Im Jahr 1967, in dem „Hannas schlafende Hunde“ spielt, sind die Schatten noch bedrohlich dunkel. Zumindest in dem spießigen Kleine-Leute-Ambiente der Provinzstadt Wels, in dem die Geschichte angesiedelt ist.
Die Kellernazis finden im Film wenig dabei, ihre braunen Rülpser auszustoßen. Selbst der Pfarrer (Johannes Silberschneider) verkündet die obskure antisemitische Botschaft, die Juden seien schuld am Tod von Jesus. Und die Religionslehrerin (Michaela Rosen) ist immer besonders streng zur kleinen Hanna. Ob sie mehr über die Herkunft des Mädchens weiß als Hanna selbst?
Mit ihrer Neugier weckt Hanna jene schlafenden Hunde, die dem Film (und dem Roman von Elisabeth Escher) den Titel gaben. Als das Mädchen erfahren hat, dass seine Mutter Jüdin ist, kommen nach und nach üble Geschichten aus der Vergangenheit ans Tageslicht. Geschichten, in denen es nicht nur um Antisemitismus geht, sondern auch um Unterdrückung und (sexuelle) Ausbeutung.
Andreas Gruber hat diese Story aus (noch immer) düsterer Zeit mit stilistischer Strenge inszeniert. Die sehr engagierten Darsteller bekommen in dieser Atmosphäre wenig Gelegenheit, zu glänzen. Aber sie entwickeln statt dessen eine Aura höchst ernsthafter Intensität. Und zum Schluss zaubert sogar Franziska Weisz ihrer vom Leben gequälten Katharina ein Lächeln ins Gesicht. Denn die Frau schickt sich an, sich von den Dämonen, die sie quälen, zu befreien.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die einmal spüren wollen, wie schrecklich beengt vor 40 Jahren die Atmosphäre in Österreich noch sein konnte.