Hannas Reise
Humor, Romantik und viel Tiefgang
DIE STORY: Die karrierebewusste Berliner Ökonomie-Studentin Hanna (Karoline Schuch) braucht für ihren Lebenslauf was Soziales, bevor sie so richtig in die Berufswelt des großen Geldes einsteigen kann. Also tritt sie lustlos „Hannas Reise“ an: Ein Praktikum in einem Behinderten-Heim in Israel. Die 27-Jährige hat nämlich erkannt: „Juden kommen immer gut, und behinderte Juden zählen doppelt.“
In Israel begegnet Hanna nicht nur ihren Schützlingen im Heim, sondern auch einem aufregenden Therapeuten namens Itai (Doron Amit) und einer klugen alten Dame (Lea König), die den Holocaust überlebt hat. Zu Beginn ist Hanna oberflächlich und unreflektiert bis zu den Haarspitzen, dazu unterkühlt wie ein Eiszapfen. Langsam beginnt sie sich dann mit ihrem Aufenthalt in Israel anzufreunden, wobei sie erkennt, dass sich die unheilvolle deutsch-jüdische Vergangenheit aus ihrer persönlichen Gegenwart nicht ausklammern lässt. Doch die Konfrontation öffnet den Weg in eine positive Zukunft.
DIE STARS: Karoline Schuch, „Tatort“-Fans als Tochter des Kölner Cops Freddie Schenk (Dietmar Bär) bekannt, meistert als Hanna ihre erste große Kino-Hauptrolle souverän. Suzanne von Borsody spielt ihre alternativ denkende Mama, die so gar nicht zur Karrieristin Hanna zu passen scheint. Doron Amit als fescher Itai ist einer der aufstrebenden Stars der israelischen Szene. Lea König, die als Kind selbst dem Holocaust entkam, gilt als Doyenne der Bühnen Israels. Regisseurin Julia von Heinz hat ein weites Spektrum an Filmen: Vor dem famosen Arthaus-Drama „Hannas Reise“ drehte sie 2012 den Jugend-Blockbuster „Hanni und Nanni 2“.
DIE KRITIK: „Hannas Reise“ widerlegt auf spielerische und auch unterhaltsame Weise die Forderung vieler Zeitgenossen, jetzt müsse aber mal Schluss sein mit der ewigen Vergangenheitsbewältigung. „Wenn man sich nicht erinnern will, wo man herkommt, fangen die Probleme erst richtig an“, heißt es in einem der vielen klugen Sätze des Films, und Hauptfigur Hanna erfährt das auf die harte Tour.
Nach der Landung in Israel steht die Berlinerin erst einmal komplett neben der Spur. Die behinderten Pfleglinge im Heim nerven sie. Die trashige WG, die sie mit zwei anderen Deutschen der "Aktion Friedensdienste" teilen muss, ist eine Zumutung. Und wenn sie gehetzt aufbricht, um »meine Holocaust-Überlebende« zum Betreuungsgespräch zu besuchen, dann könnte sie desinteressierter nicht sein.
Doch allmählich entfalten die Bilder und die Worte, die Hanna in dieser für sie neuen Welt sieht und hört, zu wirken. Sie wird neugierig. Sie beginnt, Fragen zu stellen - auch nach dem eigenen familiären Background, der ihr bis dahin herzlich wurscht war. Als sie herausfindet, dass ihre Großeltern 1938 eine arisierte Wohnung übernahmen und dass ihre Mutter aus diesem Grund mit den Eltern brach, wirft das ein ganz neues Licht auf ihre eigene (ramponierte) Beziehung zur Mutter.
Und dann ist da der Charmeur Itai, der anfangs noch herumblödelt, deutsche Mädchen seien leicht rumzukriegen, weil sie einen Schuldkomplex haben. Doch Itai entdeckt, dass er echte Gefühle für die kühle Germanin entwickelt. Und während Hanna noch täglich mit ihrem Berliner Schnösel-Lover skypt, spürt auch sie, dass sie sich zu Itai hingezogen fühlt. Zu ihrem Geburtstag will sie sich mit einem One Nighter mit Itai beschenken. An diesem Abend aber bekommt sie von ihm einen Korb. Die Spuren der Vergangenheit...
„Hannas Reise“ funktioniert - und dies sehr gut - auf verschiedenen Ebenen. Der Film hat Comedy-Elemente mit vielen flotten Sprüchen; er gibt sich gelegentlich als Romanze, die sich von jeglichem Gefühlsschmalz fernhält. Darüber hinaus lernt man eine Menge über die deutsch-israelische Befindlichkeit (Österreich darf sich hier mitbetroffen fühlen), ohne dass die Weisheiten jemals mit dem erhobenen Zeigefinger verabreicht würden. So ist das Werk ein mitreißendes Kino-Stück geworden, voll Witz, Sinnlichkeit und tieferer Bedeutung.
IDEAL FÜR: alle Filmfans, die eine starke Mischung aus Drama, Komödie und Romanze zu schätzen wissen. Große FilmClicks-Empfehlung!