GESAMTEINDRUCK: „Gundermann“ ist der beste und intensivste DDR-Film, den es jemals gab.
DIE STORY: Das Musik-Drama „Gundermann“ widmet sich einem Menschen, der in den 80er Jahren in der DDR so etwas wie ein kleiner Star der Folk-Szene war. Gerhard Gundermann (gespielt von Alexander Scheer) aus der Lausitz wurde mit seinen melancholischen Liedern republikweit bekannt. Er hätte davon sicher auch leben können. Wollte er aber nicht. Er hat es vorgezogen, tagsüber auf seinem Bagger zu sitzen und Braunkohle abzubauen. Als nach der Wende bekannt wird, dass Gundermann für die Stasi aktiv war, geriet er ins mediale Feuer. Blieb aber selbst sein größter Kritiker.
DIE STARS: Alexander Scheer kennen sicher viele von seiner ersten großen Rolle in Leander Haußmanns „Sonnenallee“. Das ist fast 20 Jahre her. Danach war er viel an Berliner Theatern unterwegs. Hin und wieder sah man ihn auch in internationalen Produktionen wie Olivier Assayas‘ Serie „Carlos“. Aber seinen bisher größten Coup landet er jetzt in „Gundermann“, dem neuen Film von Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“).
„Ich spiele dir den mit allem, was ich habe“, soll Scheer beim ersten Treffen mit seinem Regisseur gesagt haben. Und genau das hat er hier umgesetzt. Er ist in die Haut dieses doch recht eigenartigen Künstlers geschlüpft und nimmt uns mit auf eine Kino-Reise, die man so schnell nicht vergessen wird. Außerdem hat er die im Film vorkommenden 18 Lieder von Gundermann alle selbst gesungen - größten Respekt! Das Resultat gibt es auch als CD und Doppel-Vinyl.
Aber nicht nur Alexander Scheer ist fantastisch in diesem Film. Auch die Südtirolerin Anna Unterberger als Gundermanns Ehefrau Conny spielt hinreißend. Und dazu sind - wie immer bei Andreas Dresen - selbst bis in die kleinsten Rollen hinein hervorragende Schauspieler (z.B. „Tatort“-Star Axel Prahl als Stasi-Offizier) zu sehen.
DIE KRITIK: „Gundermann ist ein Widerspruch auf zwei Beinen. Über den musste ich unbedingt einen Film machen“. So Andreas Dresen im Interview mit FilmClicks. Dass es nicht leicht werden würde, hat der Erfolgsregisseur bald gemerkt. Insgesamt zwölf Jahre brauchte er - gemeinsam mit seiner Drehbuch-Autorin Laila Stieler -, bis das Porträt im Kasten war.
Vor allem hat es so lange gedauert, weil Dresen nicht einfach eine weitere DDR-Biografie (oder Hollywood-Kitsch wie „Das Leben der Anderen“) vorlegen wollte. Andreas Dresen ging es darum, dass man versteht, was diesen „Widerspruch auf zwei Beinen“ angetrieben hat.
Filmisch war aus diesem kurzen Leben (Gundermann wurde gerade mal 43 Jahre alt) jede Menge herauszuholen. Ein Star, der keiner sein wollte. Ein Mensch, der sich selbst als Kommunist bezeichnete. Einer, der viele Jahre um die Liebe einer Frau kämpfte. Jemand, der in seinem Bagger-Fahrerhaus über der Braunkohle-Einöde thronte und sich wunderbarste Lieder erdachte. Aber eben auch jemand, der sich bereit erklärte, für den Geheimdienst der DDR Berichte zu schreiben. Und zwar über Jahre hinweg. All das fängt Dresen in diesem kolossalen Film ein und er kriegt das Kunststück fertig, dass sich diese zwei Kinostunden wie eine Zeitreise in die DDR anfühlen.
„Gundermann“ spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal in den 1970er Jahren. Als sich in der Stadt Hoyerswerda - ganz im Osten gelegen - so etwas wie Aufbruch bemerkbar machte. Braunkohle hieß der Brennstoff der Zukunft. Jede Energie wurde in den Abbau hineingesteckt. Mitten drin der junge Gerhard Gundermann — von allen nur Gundi gerufen. Er will alles gleichzeitig. Eine Familie, eine gerechte Gesellschaft und Künstler sein.
Der zweite Strang spielt Anfang der 1990er Jahre, also kurz nach der Maueröfffnung. Viele Träume haben sich zerschlagen. Einige Siege mussten teuer erkauft werden. Gerhard Gundermann glaubt immer noch, dass man die Welt mit schönen Liedern besser machen kann. Und deshalb singt und textet er, wo immer er geht und steht.
Das wirklich Außergewöhnliche an „Gundermann“ ist aber nicht die Struktur. Es ist eher der Gegenstand des Films. Andreas Dresen weiß, dass das Leben von Gerhard Gundermann wohl anders verlaufen wäre, hätte er nicht die Berichte für die Stasi geschrieben. Und deshalb geht es in fast allen Szenen um seine Mitarbeit bei der Behörde. Warum er unterschrieben hat, was er alles tat, warum er sich später an so gut wie nichts mehr erinnern konnte.
Es wird sicher irgendwann nochmal den großen Film über die Stasi geben. Bis dahin gibt es diesen unendlich poetischen und schmerzhaften Film über eine Diktatur und die Tatsache, wie verführerisch deren Mittel manchmal sein konnten.
IDEAL FÜR: Alle, die schon immer gern Gundermann-Lieder gehört haben und für alle, die ihn hier neu entdecken wollen.