GESAMTEINDRUCK: „Glück gehabt“ ist ein Beziehungsdrama aus Wien, das als Komödie beginnt, als Horrorfilm endet und schwer darunter leidet, dass trotz drastischer Ereignisse keine knisternde Atmosphäre entsteht.
DIE STORY: Der Mittvierziger Artur (Philipp Hochmair) – reich an Begabung als Comic-Zeichner, aber arm an Ehrgeiz – arbeitet in einem Wiener Copyshop. Obwohl auf routinierte Art gut verheiratet mit der Lehrerin Rita (Larissa Fuchs), lässt er sich auf eine Affäre mit der Copyshop-Kundin Alice (Julia Roy) ein. Zwar endet für ihn schon das erste Rendezvous mit blauen Flecken, für die Alices Ex, genannt Arschloch (Robert Stadlober), zuständig ist. Aber das hindert Artur nicht daran, sich immer tiefer auf Alice einzulassen. Da ahnt man als Zuschauer schon längst: Mit diesem Flirt hat Artur kein Glück gehabt.
DIE STARS: Der Wiener Regisseur Peter Payer, der fürs Kino zuletzt 2011 den Politthriller „Am Ende des Tages“ drehte, holte für „Glück gehabt“ als Hauptdarsteller den spektakulären Schauspieler Philipp Hochmair vor die Kamera, dessen Repertoire von der Titelrolle im Salzburger „Jedermann“ bis zum Serien-Hit „Die Vorstadtweiber“ reicht.
„Glück gehabt“ basiert auf dem Roman „ Das Polykrates-Syndrom“ (Longlist zum Deutschen Buchpreis 2014) von Antonio Fian, der mit seinen satirischen Dramoletten seit vielen Jahren zu den prägenden Autoren der Wiener Zeitung „Der Standard“ zählt.
DIE KRITIK: Zu den wichtigsten Kunstgriffen des Geschichtenerzählens gehört es, das Publikum so massiv in Spannung zu versetzen, dass jeder atemlos wissen will, wie die Sache weitergeht. Dieses Prinzip ist in „Glück gehabt“ von der ersten Minute an außer Kraft gesetzt.
Aus dem Off hört man ein paar Worte über den griechischen Tyrannen Polykrates (wurde erst vom Glück verfolgt, und dann, bis zum grausamen Tod, von seinen Gegnern). Wenn bald darauf die Kundin Alice den Copyshop von Artur betritt, weiß man: Aus dieser Begegnung wird kein Happy End entstehen. Ganz im Gegenteil.
Das durchaus flott inszenierte Drama entfaltet dadurch die Wirkung einer Fußball-Aufzeichnung, bei der man schon zu Beginn das Endergebnis kennt. Gewiss, neue Spannung könnte dadurch entstehen, dass man sich auf die Frage konzentriert,
wie die Dinge ihren Lauf nehmen. Aber auch in dieser Hinsicht hat „Glück gehabt“ wenig zu bieten. Man wird zum Zeugen einer verhängnisvollen Affäre, in der blasse Figuren dunkle Dinge tun.
Am interessantesten ist es, Philipp Hochmair zuzusehen. Der widmet seine ganze überbordende Energie der Herstellung einer Figur, der jede Energie fehlt. Das gelingt ihm perfekt: Sein Artur ist ein eindrucksvoll fader Charakter.
Nur: Was treibt diesen Biedermann dazu an, sein Spießer-Idyll durch Fremdgehen aufs Spiel zu setzen? Was findet umgekehrt die schöne Alice an diesem Kerl? Julia Roy legt Alice als milde Neurotikerin mit wenig Tiefgang an. Dass zwischen diesen zwei Menschen erotische Funken sprühen sollen, wird auf der Leinwand zwar sichtbar, jedoch nicht spürbar. Manchmal könnte man meinen, die beiden bleiben nur deshalb beisammen, weil sonst der Film aus wäre.
Der Film dauert aber 97 Minuten, und so spielt sich eine Reihe sehr voraussehbarer und zum Teil blutiger Katastrophen ab. Diese geben Larissa Fuchs in der Rolle von Arturs freundlicher Ehefrau ausgiebig Gelegenheit dazu, immer unfreundlicher zu werden.
Der Rezensent, der Antonio Fians Romanvorlage nicht kennt, hält es für gut möglich, dass der Text wichtige Zwischentöne enthält, die im Film verlorengehen.
Die Kinoversion tut sich schwer, beim Betrachter nachhaltige Wirkung zu erzeugen. „Glück gehabt“ ist ein Werk, das an einen berühmten Spruch von Friedrich Torberg erinnert: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“
IDEAL FÜR: Freunde des österreichischen Films.