GESAMTEINDRUCK: Man begleitet eine schöne Frau in den Fünfzigern bei ihrem Streben, das Singledasein hinter sich zu lassen: „Gloria“ ist ein eher melancholisches als unbändig heiteres US-Remake des chilenischen Komödien-Hits gleichen Namens.
DIE STORY: Die Kalifornierin Gloria Bell (Julianne Moore) hat zwei erwachsene Kinder, einen guten Job – und grenzenlose Lust aufs Leben. Die geschiedene Mittfünfzigerin hegt keinerlei Absichten, einsam zu versauern, und sucht mit jugendlichem Elan einen neuen Lebensabschnitts-Begleiter. In einem Tanzlokal wird sie eines Abends fündig: Sie begegnet dem attraktiven Arnold (John Turturro), der erzählt, selbst eine Trennung hinter sich zu haben. Gloria und Arnold werden ein Paar. Doch der Mann entwickelt seltsame Gewohnheiten. Erstens telefoniert er dauernd mit seinen Töchtern und seiner Ex. Und zweitens haut er gern mal ab, ohne zu sagen, wohin und warum.
DIE STARS: Der chilenische Autor/Regisseur Sebastián Lelio schaffte 2013 mit dem Original von „Gloria“ (Silberner Berlinale-Bär für Hauptdarstellerin Paulina Garcia) den internationalen Durchbruch. 2018 wurde er mit dem Drama „Eine fantastische Frau“ mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet.
Für das US-Remake von „Gloria“ holte Lelio nun mit Oscar-Preisträgerin Julianne Moore („Still Alice“) und dem Golden-Globe-Nominee John Turturro („Quiz Show“, „Barton Fink“) zwei Topstars des Hollywood-Kinos vor die Kamera.
DIE KRITIK: In den USA haben viele Kinogeher bekanntlich eine unüberwindliche Abneigung gegen synchronisierte Filme. Deshalb werden immer wieder Remakes produziert, wenn fremdsprachige Produktionen auch das US-Publikum erreichen sollen. Das war zum Beispiel vor ein paar Jahren so, als Michael Haneke seinen Schocker „Funny Games“ mit Naomi Watts und Tim Roth neu inszenierte. Und jetzt hat es den Chilenen Sebastián Lelio mit „Gloria“ getroffen.
Die Story ist die gleiche geblieben, die Figuren sind die gleichen und auch Sebastián Lelio sitzt wieder im Regiesessel: Wer 2013 das Original dieser furiosen Frauen-Komödie genoss, hat im Grunde keinen dringenden Anlass, auch das Remake anzuschauen – außer, man liebt Vergleiche. Und da gibt es doch beträchtliche Unterschiede.
Der größte Unterschied liegt natürlich bei den Hauptdarstellerinnen. Statt der feurigen Paulina Garcia ist nun die sanfte Julianne Moore als Gloria zu sehen. Die Hollywood-Diva betört auch in diesem Film mit ihrem wunderbaren Lächeln, das so viel Wärme und Herzlichkeit ausstrahlen kann. Aber das Temperament einer Latin Lady zeigt sie nicht. Und so bekommt diese Geschichte einer reichlich absurden Liebe automatisch einen melancholischeren Touch als das ungebremst lebensfrohe Original aus Chile. Vielleicht passt diese Atmosphäre auch besser zum neuen Schauplatz Los Angeles.
Mit John Turturro hat Julianne Moore einen kongenialen Spielpartner, der hier wie der Erfinder der Wankelmütigkeit agiert. Mal gibt er den Macho Lover, mal den kleinlauten Pantoffelhelden. Gloria weiß nie, welche Stimmungslage bei ihrem Arnold gerade obsiegt. Und kaum glaubt sie, seiner sicher zu sein, macht er auch schon wieder einen unangekündigten Abgang.
So ist dieser von einem Mann geschriebene und inszenierte Film ein Loblied auf eine starke Frau und ein Spottgesang auf einen eher jämmerlichen Mann. „Der Film“, schrieben wir in der Kritik zum chilenischen Original, „filtert aus einer hindernisreichen Romanze das Porträt einer souveränen, liebenswerten Frau, die unbeirrt ihren Weg geht und eine ziemlich originelle Art findet, ihrem Dann-und-wann-Lover zu zeigen, was sie von seinem Verschwinden hält.“ Exakt so verhält es sich auch im Remake.
IDEAL FÜR: alle, die im Kino darin bestärkt werden wollen, dass ein jugendliches Leben keine Frage des Alters ist.