Girl

Leben im falschen Körper


FilmClicks:
Ein Mädchen, das im Körper eines Knaben wohnt: Victor Polster als Lara in „Girl“ © Universum
GESAMTEINDRUCK: Das preisgekrönte Gender-Drama „Girl“ erzählt die berührende und raue Geschichte einer jungen Ballett-Tänzerin, die als Junge geboren wurde und die nun, als Teenager, die Operation zur Geschlechtsumwandlung herbeisehnt.
 
DIE STORY: Lara (Victor Polster) ist eine Tänzerin aus Brüssel, die mit 15 Jahren zwei Träume hat: Das Transgender-Mädchen möchte im Körper einer Frau leben – und beim Ballett Karriere machen. Beide Ziele verfolgt sie mit großem Nachdruck. Was die Geschlechtsumwandlung betrifft, sind alle Maßnahmen eingeleitet. An der Akademie trainiert sie bis an die Schmerzgrenze. Dass sie bei den Gleichaltrigen gelegentlich in schwierige Situationen kommt, nimmt sie in Kauf. Doch dann eröffnen ihr die Ärzte, dass die Belastung aus Tanz und Operation zu viel für ihren Körper sei. Lara bricht emotional zusammen – und nimmt ihr Schicksal sehr radikal selbst in die Hand.

Freude am Tanz: Lara (Victor Polster) als Mädchen unter Mädchen © Universum

DIE STARS:  Der belgische Regisseur Lukas Dhont (27) und sein Hauptdarsteller, der Tänzer Victor Polster (17), sind noch keine Stars, könnten aber dank „Girl“ bald welche werden. Ihr Transgender-Drama – für beide der erste große Film – wurde bei der Weltpremiere in Cannes mit vier Preisen ausgezeichnet und ist jetzt für den Golden Globe als bester fremdsprachiger Film nominiert.

Leid am Tanz: Lara hat sich wieder mal einen Fuß verletzt © Universum

DIE KRITIK: Wie fühlt es sich an, im falschen Körper zu leben? Hollywood widmete sich diesem Thema vor drei Jahren mit „The Danish Girl“, das für vier Oscars nominiert wurde (und einen gewann). Spielte Eddie Redmayne in dem gefühlvollen Dokudrama eine Frau, die im Körper eines Mannes gefangen ist, so schildert Regisseur Lukas Dhont in „Girl“ nun einen ähnlichen Fall.
Der neue Film ist viel drastischer und direkter als „The Danish Girl“ - die Wirkung aufs Publikum ist vergleichbar. Man wird voll Sympathie zum Zeugen des eminent schwierigen Lebenskampfs von Menschen, deren Transgender-Identität seelische Eruptionen auslöst, die für die meisten von uns unvorstellbar sind.
„Girl“ (der Film beruht auf realen Geschehnissen) schenkt seiner Protagonistin Lara ein heiles Familien-Umfeld, in der das Mädchen für seine Anliegen jede Unterstützung erhält. Der alleinerziehende Vater fördert Laras Wunsch zur Geschlechtsumwandlung genauso wie ihre Leidenschaft für den Tanz. Dass ihn die Probleme seines Kindes und die Sorge vor der Operation auch belasten, versteckt der Mann, so gut es eben geht.
So kann Lara in aller Freiheit ihren Weg gehen – der allerdings gar so frei nicht ist. Denn auch wenn Lara ein sehr hübsches weibliches Gesicht besitzt und tanzt wie ein Mädchen, so hat sie doch einstweilen noch den Körper eines Knaben. Ohne Busen, dafür mit einem Penis, den sie vor jeder Stunde im Ballettsaal so abklebt, dass er im engen Tanzdress unsichtbar bleibt.
Die Gleichaltrigen wissen über diese spezielle Situation ihrer Kollegin Bescheid. Und auch, wenn sie sich um Normalität bemühen, kommt es zu Situationen, die für Lara emotional sehr schmerzhaft werden. Schließlich sind die Teenager alle mitten in der Pubertät, in der auch ihre Sexualität voll erwacht.
Hauptdarsteller Victor Polster schafft es famos, sich in den Charakter dieses vom Schicksal gebeutelten Mädchens einzufühlen. Seine Lara ist erfüllt von melancholischem, scheuem Charme, aber auch von verbissenem Ehrgeiz, ihre Ziele zu erreichen.
So weckt „Girl“ viel Verständnis für die Träume und die Qualen eines jungen Menschen mit einer ungewöhnlichen Biografie. Für die Betrachter kann es allerdings nicht schaden, wenn klassischer Tanz ein Thema ist, das sie zu begeistern vermag. Denn die vielen Szenen im Ballettsaal bilden ein wichtiges Fundament des Films. Man sieht die Virtuosität und die Eleganz der hochbegabten Eleven (voran Victor Polster). Man bekommt aber auch die Schmerzen und Verletzungen drastisch vorgeführt, die bei dieser athletischen Kunstform unausbleiblich sind.
Drastisch ist der Film auch in seiner Bildsprache, was die Körperlichkeit betrifft. Regisseur Lukas Dhont hat sich dazu entschieden, Lara immer wieder in ihrer männlichen Nacktheit zu zeigen. Ihr Penis, den sie hasst und so unbedingt loswerden möchte, bleibt der Kamera nicht verborgen.
In der Transgender-Community hat diese Tatsache Kritik ausgelöst – man wirft dem Film deshalb einen gewissen Voyeurismus vor. Die Argumente sind nachvollziehbar, doch „Girl“ ist keine verschwitzte Fleischbeschau. Im Zentrum stehen stets die Seelenqual und die Sehnsucht eines Mädchens, das endlich in einem weiblichen Körper leben möchte.
 
IDEAL FÜR: alle Filmfreunde, denen das Thema geschlechtlicher Identität nahegeht.
 






Trailer
LÄNGE: 106 min
PRODUKTION: Belgien / Niederlande 2018
KINOSTART Ö: 04.01.2019
REGIE:  Lukas Dhont
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Victor Polster: Lara
Arieh Worthalter: Mathias
Katelijne Damen: Dr. Naert
Valentijn Dhaenens: Dr. Pascal