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Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach
Schrullige Scherze aus Schweden
DIE STORY: Die Groteske „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ von Roy Andersson ist gewiss erster Anwärter auf den längsten Filmtitel des Jahres. Der Plot: Zwei Scherzartikel-Verkäufer, genial gespielt zwischen Tristesse und Verzweiflung von Holger Andersson und Nils Westblom, ziehen mit ihren Waren durch Göteborg. Im Gepäck haben sie Dracula-Gebisse mit extra langen Zähnen, einen Lachsack und eine gruselige Gummi-Maske. Sie wollen ihren Kunden „helfen, ein bisschen Spaß zu haben“. Doch die Geschäfte laufen schlecht, weshalb ihre Tour von Tür zu Tür mehr und mehr zum Trauerspiel gerät.
Das bildet den Rahmen für eine skurrile, schräge Szenensammlung, für die Regisseur Roy Andersson im September 2014 beim Festival Venedig den Goldenen Löwen bekam. In insgesamt 39 Szenerien zeigt Andersson, scheinbar lose, nicht wirklich zusammenhängende Vorfälle: Ein Mann stirbt beim Öffnen einer Rotweinflasche; eine Kellnerin kassiert Küsse von Soldaten, die so für ihren Schnaps bezahlen; eine Armee reitet immerzu und aufrecht in einen Krieg, ehe sie geschlagen und erschöpft zurückkehrt. „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ ist eine Sammlung von Anekdoten über das Leben und wie wir daran scheitern.
DIE STARS: Die Schweden haben einen mitunter recht lakonischen, schrulligen Humor, wie unschwer an den Werbesports einer von dort stammenden großen Möbelkette erkennbar ist. Einer, der diesen Humor auch im Kino zelebriert, ist Regisseur Roy Andersson, der übrigens selbst die meiste Zeit seines Berufslebens mit der Herstellung von TV-Werbespots verbrachte und mehr als 500 davon inszeniert hat. Mit 71 Jahren legt er nun seinen erst fünften Spielfilm vor.
DIE KRITIK: Der Film wirkt stellenweise wie ein Museumsbesuch. Mit stoischer Ruhe kann der Zuschauer in den genau komponierten, statischen Bildern Anderssons verweilen, in denen er seine Protagonisten behutsam anordnet. Die fix positionierte Kamera erzwingt eine komplexe Versuchsanordnung der Figuren im Raum.
Andersson ließ sich für die Arbeit an seinem Film von Bildern von Otto Dix, Georg Scholz und Bruegel (dem Älteren) inspirieren. Die skurrilen Geschichten, die der Regisseur dabei auftischt (und die an dieser Stelle nicht verraten sein sollen) verhalten sich allesamt wie Sketche, nur dass die Pointe meist nicht zum Lachen anregt, sondern die ganze Traurigkeit und Ausweglosigkeit des Daseins reflektiert.
Das Komische und das Tragische liegen - wie auch im echten Leben - in Anderssons Film haarscharf nebeneinander. Sein filmisches Stillleben ist letztlich selbst ein Scherzartikel: Man lacht kurz darüber und vergisst ihn schnell.
IDEAL FÜR: Arthaus-Filmfans, die sich einem Konzentrat des schwedischen Humors in all seiner Verschrobenheit hingeben möchten.
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