GESAMTEINDRUCK: US-Regielegende Terrence Malick hat mit „Ein verborgenes Leben“ ein Meisterwerk geschaffen. Ganz großes Kino – ein grandioses Drama über die Liebe, die Natur und den Widerstand gegen die Düsternis der Hitler-Diktatur.
DIE STORY: „Ein verborgenes Leben“ erzählt die Geschichte des oberösterreichischen Bauern Franz Jägerstätter, der 1943 von den Nazis hingerichtet wurde, weil er den Wehrdienst mit der Waffe verweigerte. Der Film beginnt mit Dokumentaraufnahmen vom Aufstieg der Hitler-Diktatur. Dann ein Schnitt nach St. Radegund, Oberösterreich. Dort begegnet der Bauer Franz Jägerstätter (August Diehl) seiner Franziska (Valerie Pachner). Eine Liebe, wie vom Himmel gemacht. Doch bald werden die beiden den Himmel anrufen müssen. Der tiefgläubige Franz will nicht für die Nazis in den Krieg ziehen. Die machen ihm den Prozess. Das Urteil: Todesstrafe wegen Wehrkraftzersetzung.
DIE STARS: Der menschenscheue Filmkünstler Terrence Malick, 76, zählt zu den kultisch verehrten Heroen der Arthaus-Welt. Zu diesem Ruhm haben seine wenigen, doch berühmten Filme wie „Badlands“ (1973), „The Thin Red Line“ (1998) oder „The Tree Of Life“ (2011; Goldene Palme von Cannes) ebenso beigetragen wie seine eisern befolgte Weigerung, selbst an die Öffentlichkeit zu treten.
Üblicherweise zählen Hollywood-Megastars wie Brad Pitt, Cate Blanchett oder Christian Bale zum Personal der Malick-Filme. Für das Österreich-Drama „Ein verborgenes Leben“ wählte der Regisseur aber ein einheimisches Ensemble aus. Rund um den deutschen Jägerstätter-Darsteller August Diehl agieren viele erste Kräfte der österreichischen Szene wie Valerie Pachner, Karl Markovics, Tobias Moretti oder Johannes Krisch. Die Dreharbeiten begannen schon 2016. Daraus lässt sich erklären, dass auch die mittlerweile verstorbenen Stars Bruno Ganz und Michael Nykvist noch einmal zu sehen sind.
DIE KRITIK: Terrence Malick bringt die wahre Geschichte des Nazi-Opfers Franz Jägerstätter, die in Österreichs erstmals 1971 von Axel Corti verfilmt wurde, auf seine ganz typische Weise auf die Leinwand: Als Mischung aus Kino-Essay und Spielfilm der besonderen Art.
Das essayistische Moment entsteht großteils durch Bilder. Malick hat den Schauplatz St. Radegund vom Flachland ins Hochgebirge verlegt (gedreht wurde in Südtirol), und diese künstlerische Freiheit gewährt man ihm gern. Denn so kann Kameramann Jörg Widmer grandiose Panoramen einfangen, voller felsgezackter Gipfel und Schluchten. Aber die Kamera bleibt auch nah am Boden. Man schwelgt in der üppigen Schönheit von Wiesen und Feldern. Überall sind Tiere unterwegs. Und auch die Bauern sind unentwegt in der Botanik zugange. Der Film suggeriert: Wären Menschen und Natur so eng miteinander verbunden, wie es ihrem Wesen entspricht, dann könnte es dem Planeten und seinen Bewohnern besser gehen.
Der Spielfilm der besonderen Art wird in der Erzählweise Malicks deutlich. Der Regisseur arbeitet nur sparsam mit Dialogen. Oft hört man die Darsteller aus dem Off.
August Diehl und Valerie Pachner müssen als Franz und Franziska also stark auf ihre Mimik setzen – und das machen sie sensationell. Schon der erste Blick, wenn sie einander erstmals begegnen, lässt Steine schmelzen. Später changieren sie in allen Variationen von Freude und Seligkeit, von Mut und Entschlossenheit, von Angst und Verzweiflung. Der Berliner Diehl und die Welserin Pachner gehören hierzulande ja längst zu den Spitzenkräften ihres Fachs. Es wäre kein Wunder, würde ihnen „A Hidden Life“ (so der Originaltitel) den Weg zu einer internationalen Karriere öffnen.
Auch rund um die beiden Hauptdarsteller wird hervorragend gespielt. Wehmütig stimmt die Wiederbegegnung mit den Granden Michael Nykvist und Bruno Ganz, die die Filmpremiere nicht mehr erlebt haben. Hier sind sie in düsteren Rollen im Einsatz: Nykvist als Bischof, der Franz Jägerstätter den Eintritt in die Wehrmacht empfiehlt, und Ganz als Nazi-Richter, der später das Todesurteil verkündet.
Zwei Topstars aus Österreich haben wichtige Episodenrollen. Karl Markovics porträtiert mit ländlich-polterndem und gefährlichem Charme den Dorfbürgermeister, der mit der Diktatur sympathisiert. Moretti spielt einen Priester, der vergeblich alles daran setzt, Franz Jägerstätter und seiner Frau zu helfen.
Sie alle stellen sich in den Dienst der Sache von Terrence Malick und seiner Geschichte eines unbeugsamen Helden im Widerstand gegen die Nazis. Eines Mannes, der sich lieber umbringen lässt, als dazu gezwungen zu werden, auf andere Menschen zu schießen. Man schaut diesem zutiefst humanistischen Filmkunstwerk gebannt drei Stunden lang (die im Fluge vergehen) zu. Und man verlässt das Kino anschließend so tief bewegt wie nur selten bei einem Film.
IDEAL FÜR: Liebhaber von Arthaus-Filmen, die erleben wollen, wie der Kultregisseur Terrence Malick ein Thema aus Österreich realisiert.