DIE STORY: Die deutsche Komödie „Ein Geschenk der Götter“ erzählt die Geschichte der Schauspielerin Anna Bischof (Katharina Marie Schubert), die aus ihrem Engagement an einem Stadttheater hinauskomplimentiert wird. Ihr Intendant, der sie loswerden will, meint, Anna müsse einen Sprung wagen, um noch mehr aus sich herauszuholen. Doch der Sprung führt die Mimin mangels freier Jobs direkt ins Arbeitsamt.
Dort begegnet sie einer kunstsinnigen Betreuerin, die ihrer Kundschaft mal was Besseres bieten will als die öden und sinnlosen Schulungen à la „Wie bewerbe ich mich richtig“. Anna wird engagiert, um für acht Langzeit-Arbeitslose einen Schauspielkurs zu machen.
Am nächsten Tag beginnt die Gruppe, mit verteilten Rollen einen Klassiker zu lesen: Die altgriechische Tragödie „Antigone“ von Sophokles.
Anfangs ist der Vortrag des starrsinnigen und unwilligen Arbeitslosen-Oktetts natürlich ein Trauerspiel. Doch eine(r) nach dem anderen findet Gefallen an dem Projekt. Den schwer vermittelbaren Außenseitern vermittelt sich allmählich der Sinn des Spiels, das ihren sorgenvollen und/oder antriebsarmen Existenzen einen neuen Inhalt schenkt.
DIE STARS: Keine großen Stars. Viele Darsteller sind an renommierten Bühnen daheim; man kennt sie außerdem vom Fernsehen. Oder vom Film: Am bekanntesten ist der Hamburger Adam Bousdoukos („Soul Kitchen“), der zum festen Stamm von Regisseur Fatih Akin gehört.
Aber Autor/Regisseur Oliver Haffner, der am Wiener Reinhardt-Seminar ein (Theater-)Regiestudium absolvierte, tat gut daran, bei dieser Arbeitslosen-Komödie mehr auf große Leistungen als auf große Namen zu setzen. Vor den Vorhang gehören sie alle. Katharina Marie Schubert, Adam Bousdoukos, Paul Faßnacht, Katharina Hauter, Rainer Furch, Marion Breckwoldt, Maik Solbach, Rick Okon, Canan Kir, Luise Heyer, Eva Löbau, Felix Knopp, Tini Prüfert, Bernd Grawert: Applaus, Applaus!
DIE KRITIK: „Jeder ist in seinem Leben irgendwann mal pleite“, heißt es in „Ein Geschenk der Götter“. Wie wahr. Das Blöde dran für die Schauspielerin Anna und ihr arbeitsloses „Antigone“-Amateur-Ensemble: Sie sind es alle zugleich. Das macht müde und unglücklich, bewegungs- und ratlos.
„Glaubst du, dass man einen Job findet mit Theaterspielen?“ poltert einer aus der Gruppe angesichts der Zumutung, klassische Texte auswendig zu lernen. Aber beim Spielen könne man doch jene Person wiederentdecken, die man wirklich ist, wendet die Spielleiterin Anna ein. Na und? „Draußen muss man lügen, sich besser machen. Da kann man nicht der sein, der man ist.“
Harte Bandagen. Autor/Regisseur Oliver Haffner entwirft ein ungemein realistisches Arbeitslosen-Szenario. Sein - sehr lustiger – Film ist auch ein raues Sozialdrama, dessen Figuren mit dem Rücken zur Wand stehen. Wenn nicht gar am Abgrund.
Doch ähnlich wie im britischen Kino-Hit „The Full Monty“, in dem arbeitslose Männer eine Stripper-Gruppe gründen, funktioniert hier die Hilfe durch Selbsthilfe. Nur dass die Protagonisten keine textilfreien Auftritte planen. Und dass sie erst ganz langsam begreifen, was für ein Glück es bedeuten kann, in andere Figuren zu schlüpfen. Um so den eigenen Sorgen wenigstens für ein paar Stunden zu entkommen. Um statt dieser Sorgen wieder eine innere Balance zu finden; ein Fundament.
„Es ist ein Geschenk der Götter, euch begegnet zu sein“, sagt irgendwann einer aus der Gruppe, Dimitri. Auf der Bühne spielt er den König Kreon. In der Realität würde er gern ein Restaurant aufmachen, doch sein Konto ist so leergefegt, dass der Geldautomat keinen müden Euro mehr ausspuckt.
„Ein Geschenk der Götter“, der Film, verficht die These, dass die Bewältigung konkreter Aufgaben kranke Seelen wieder gesunden lassen kann. Die Laiendarsteller beginnen nicht nur, sich mit ihren Figuren zu identifizieren. Sie lernen, in ihrer kleinen Gruppe, auch wieder Solidarität kennen – in einer Welt, die sie seit ihrem Jobverlust immer stärker als unsolidarisch erleben.
Der Film ist eine famose und rasend unterhaltsame Mischung aus Komödie und Sozialdrama. Der Realismus der Geschichte öffnet viele Anknüpfungspunkte zur Identifikation mit den Typen auf der Leinwand. Und zu sehen, wie in den unbegabten Jungs und Mädels schön langsam echte Schauspielerei erwacht, mag sogar zu neidvollen Momenten führen. Denn wer hat noch nie davon geträumt, einmal auf einer Bühne zu stehen?
Man merkt dem Film, ein zusätzlicher Pluspunkt, übrigens an, dass sein Regisseur Oliver Haffner ein Theater-Profi ist. „Ein Geschenk der Götter“ gewährt ganz nebenbei auch einen hochinteressanten Blick hinter die Kulissen der Bühnenwelt. Und er zeigt etwas, das jeder kennt, der schon einmal bei Theaterproben war: Wie eine Szene nicht und nicht und nicht gelingen will. Doch dann, in einem unerklärlichen und magischen Moment, springt der Funke auf einmal über. Großartig. „Ein Geschenk der Götter“ ist, nebst allen anderen Verdiensten, ein Film, der Lust aufs Theater macht.
IDEAL FÜR: alle, die prächtige Kino-Unterhaltung mit Tiefgang suchen. „Ein Geschenk der Götter“ gewann im Sommer den Publikums-Preis beim Filmfest München.