Egon Schiele: Tod und Mädchen

Der Maler und seine Muse


FilmClicks:
„Egon Schiele: Tod und Mädchen“: Schiele (Noah Saavedra) mit Wally Neuzil (Valerie Pachner) © Thimfilm
DIE STORY: Der Titel sagt alles. „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ ist ein Film, der den frühen Tod des großen Malers Schiele (1890 – 1918) zum Thema hat – und sein Verhältnis zu den Mädchen, zu den Damen.
Schieles letzte Lebenstage, als er, gepeinigt von der Spanischen Grippe, in Wien dem Tod entgegendämmert, bilden den düsteren Rahmen dieser Filmbiografie. Dazwischen gibt’s lange Rückblenden in die oft sonnigen Episoden seiner Künstlerjahre.
Schiele (Noah Saavedra) im kreativen Disput mit seiner jüngeren Schwester Gerti (Maresi Riegner). Schiele beim Flirt mit der exotischen Varieté-Tänzerin Moa Mandu (Larissa Breidbach). Und, vor allem, Schiele in der engen Beziehung mit seiner Muse und großen Liebe Wally Neuzil (Valerie Pachner): Das sind die wichtigsten Episoden, die der Film aufgreift.
„Egon Schiele: Tod und Mädchen“ erzählt, wie der junge Mann rasch Karriere macht; gefördert von seinem Mentor Gustav Klimt (Cornelius Obonya). Es geht aber auch um das Unverständnis des Bürgertums für seinen flatterhaften Lebenswandel (Wilde Ehe! Junge Modelle! Nackt!) und für seinen erotisch expliziten Stil. Nach einer angeblichen Affäre wird Schiele für kurze Zeit ins Gefängnis gesteckt.
Eine wichtige Sequenz handelt schließlich von der aus heutiger Sicht wohl unverständlichsten Entscheidung des Künstlers. 1915, Schiele muss wegen des Weltkriegs zum Militär einrücken, trennt er sich in eisenharter Kälte von seinem Lebensmenschen Wally: „Du bist nicht die richtige Ehefrau für mich“. Stattdessen heiratet er die Bürgertochter Edith Harms (Marie Jung), weil er sich von dieser Verbindung Erleichterungen beim Militärdienst verspricht.   

 
Beeindruckende Talentprobe: Noah Saavedra als Egon Schiele © Thim

DIE STARS: Der Wiener Regisseur Dieter Berner, der ab 1976 mit der „Alpensaga“ berühmt wurde, feiert mit „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ nach jahrelanger Pause ein gelungenes Comeback. Das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit Hilde Berger, auf deren Roman „Tod und Mädchen: Egon Schiele und die Frauen“ der Film basiert. Hilde Berger ist als Darstellerin der Mutter von Schieles Frau Edith Harms auch auf der Leinwand zu sehen.
Bei der Besetzung der Hauptrollen vertraute Berner auf junge Talente, die erst dabei sind, sich einen klangvollen Namen zu machen. Kompliment! Für den gebürtigen Burgenländer Noah Saavedra, der derzeit in Berlin Schauspiel studiert, ist die Titelfigur Schiele die erste große Rolle – er meistert die Aufgabe mit Bravour. Geradezu hinreißend agiert die Oberösterreicherin Valerie Pachner, Ensemblemitglied am Münchner Residenztheater, als Wally. Auch die Wienerin Maresi Riegner als Gerti Schiele spielt absolut bezaubernd.
Mit Cornelius Obonya, dem langjährigen „Jedermann“ der Salzburger Festspiele, und „Vorstadtweiber“-Lady Nina Proll sind auch arrivierte Stars der österreichischen Szene im Einsatz.

Motivsuche in Krumau: Egon Schiele mit Moa Mandu (Larissa Breidbach) © Thim

DIE KRITIK: „Es gibt keine neue Kunst – nur neue Künstler!“  Dieser zornig hervorgestoßene Satz ist  eines der wenigen Statements über die Malerei, die man im Film von Egon Schiele hört. Ein zweites Zitat lautet „Ein Kunstwerk kannst nicht kaufen – Kunst ist unbezahlbar.“ Das ist heute, da der vor 98 Jahren verstorbene Schiele zu den teuersten Malern der Welt zählt, auf leicht groteske Weise wahr geworden.
In „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ sieht man den blutjungen Mann ohne Unterlass malen und zeichnen. Man erfährt aber nichts – und das ist für mich die erste große Überraschung des Films –  über den Weg zu seinem sehr persönlichen Stil, der ihn zum Maler von Weltformat machte. Dazu passt die zweite große Überraschung: Der Schiele, den wir im Kino kennenlernen. hat rein gar nichts von der Qual und der Zerrissenheit, die für seine Meisterwerke oft so typisch sind.
Nein: Dieser Egon Schiele ist ein Charmebolzen und Frauenheld. Nicht nur Künstler, sondern auch Lebenskünstler. Ein Mann, der von seinem Talent so überzeugt ist, dass ihn Nebensächlichkeiten wie gelegentliche Geldsorgen kaum kümmern. Und wenn die Öffentlichkeit seine Bilder skandalös findet, ist ihm das auch egal – so lange er nicht von moralinsauren Ermittlern ins Gefängnis expediert wird.
Es macht Spaß, diesem Egon Schiele zuzuschauen. Der hochbegabte Noah Saavedra schenkt ihm Heiterkeit, Temperament und Beharrlichkeit. Dazu gelegentliche schlimme Macho-Anfälle, wenn‘s um die Sittsamkeit seiner Schwester Gerti geht.
Die schönste Episode des Films beginnt bei der Begegnung des Künstlers mit Wally Neuzil, die im wirklichen Leben früh starb, aber durch einige der berühmtesten Schiele-Bilder unsterblich wurde. Zwischen Egon und Wally sprühen nur so die Funken.
Für die Darstellerin Valerie Pachner könnte die Rolle zum großen Durchbruch werden: Ihre Wally ist eine mutige und unbekümmerte Frau voller Humor, Leidenschaft, Solidarität und grenzenloser Liebesfähigkeit. Ganz großes Kino!
Regisseur Dieter Berner inszeniert souverän, mit feinem Timing für die heiteren und die tragischen Momente des Films. Die kluge Struktur des Dramas, das immer wieder zwischen Schieles Glanzzeiten und seinem Sterbebett wechselt, sorgt  für ein intensives Wechselbad der Gefühle.
So lässt man sich von dem Werk gern in Beschlag nehmen – auch wenn es auf die wichtigste Frage in Sachen Schiele keine Antwort gibt: Wie wurde aus dem Sohn des Bahnhofsvorstehers von Tulln in nur 29 Lebensjahren ein Maler, dessen Bilder bis heute die Welt bewegen?
 
IDEAL FÜR: Kunstfreunde, Schiele-Verehrer und Fans kompetenter Film-Biografien.   






Trailer
LÄNGE: 109 min
PRODUKTION: Österreich / Luxemburg 2016
KINOSTART Ö: 07.10.2016
REGIE:  Dieter Berner
GENRE: Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: ab 14


BESETZUNG
Noah Saavedra: Egon Schiele
Maresi Riegner: Gerti Schiele
Valerie Pachner: Wally Neuzil
Larissa Breidbach: Moa Mandu
Marie Jung: Edith Harms
Elisabeth Umlauft: Adele Harms
Hilde Berger: Mutter Harms
Cornelius Obonya: Gustav Klimt
Nina Proll: Varieté-Direktorin