Die große Versuchung - Lügen bis der Arzt kommt

Die Insel, die Fabrik und der Arzt


FilmClicks:
Unterwegs zur Insel: Bürgermeister Murray (Brendan Gleeson, l.) und der Arzt Paul (Taylor Kitsch) © Luna Film
DIE STORY: Die Komödie „Die große Versuchung“ spielt auf einer winzigen Insel in Kanada, die schon bessere Tage gesehen hat. Seitdem der Fischfang nichts mehr abwirft, sind die paar verbliebenen Einwohner von Tickle Head zu Sozialhilfe-Empfängern mutiert. Doch ihr Bürgermeister Murray French (Brendan Gleeson) ist ein Kämpfer. Er ringt mit allen Tricks um die Ansiedelung einer Fabrik, die den Insulanern wieder Jobs verschaffen könnte.
Der Fabrikant fordert jedoch (neben der diskreten Spende einer Tasche Bargeld), dass die Insel einen fest engagierten Arzt haben muss, um als Industrie-Standort in Frage zu kommen. Also holen Murray und seine Freunde mit allen Tricks den Schönheitschirurgen Paul Lewis (Taylor Kitsch) nach Little Cove, der aus bestimmten Gründen einen Monat lang eine Art Sozialdienst leisten muss. Als Paul ankommt, unternimmt Murray, erneut mit allen Tricks, den Versuch, den Doktor auf Dauer zu halten...
Filmfreunde, denen diese Geschichte irgendwie bekannt vorkommt, liegen richtig: „Die große Versuchung“ ist das kanadische Remake eines kanadischen Films von 2003. Nur wurde im Erstling, „Die große Verführung“, französisch gesprochen, und jetzt, in „Die große Versuchung“, wird im Original auf Englisch parliert.
 
DIE STARS: Taylor Kitsch, zuletzt mit Actionreißern wie „John Carter“ oder „Battleship“ im schweren Blockbuster-Einsatz, zeigt in der Arthaus-Komödie „Die große Versuchung“, dass er auch als Charakterdarsteller viel zu bieten hat. Sein Dr. Lewis ist ein resoluter, stets hilfsbereiter Mediziner, den ein attraktiver Hauch von Melancholie umweht. Auch die zweite große Rolle des Films ist prächtig besetzt. Der Ire Brendan Gleeson („Gangs of New York“, „Brügge sehen... und sterben?“) stattet den Inselbürgermeister Murray mit listiger Halsstarrigkeit und bärbeißigem Humor aus.
 
DIE KRITIK: Wenn Taylor Kitsch als Dr. Paul Lewis erstmals der Insel Tickle Head entgegenschippert, hängt er zwar (trotz spiegelglatter See) kotzend über der Reling, doch dann erhellt sich sein Blick. Er sieht aus der Ferne weiß gekleidete Dörfler, die in ein Cricket-Spiel versunken sind. Cricket! Pauls Lieblingssport! Schon kommt ihm seine dienstliche Verbannung in die meerumspülte Einöde ein bisschen erträglicher vor.

„Die große Versuchung“: Die Insulaner tun so, als könnten sie Cricket spielen © Luna Film%==

Dass die Leute aus Tickle Head in Wahrheit keine Ahnung von Cricket haben und das Match nur inszenieren, um dem neuen Doc zu imponieren, braucht er nicht zu wissen (und er fragt dann, dafür sorgt das Drehbuch, auch nicht weiter nach).
Der Cricket-Trick ist die erste von vielen Finten des Projekts „Die große Versuchung“, mit dem die Insulaner den Mediziner zum Dauerbewohner ihres Eilands machen wollen. Bürgermeister Murray lässt die schmucklose Hafensiedlung glänzen wie ein potemkinsches Dorf. Nichts ist, wie es scheint - doch alles ist dazu da, dem Doc zu gefallen.
Beispiele? Der große Fisch, den Paul aus dem Wasser zieht, wurde zuvor von einem Taucher an die Angel gehängt. Die Verliebtheit, welche die Dorfschöne Kathleen angeblich für Paul hegt, ist eine Erfindung Murrays. Der Bürgermeister selbst schmeißt sich mit einer betont väterlichen Aura an den jungen Mediziner ran - eine Konsequenz aus der Tatsache, dass Paul seinen lange verstorbenen Vater vermisst.
Nur: Woher weiß Murray French über die vielen Details aus Pauls Leben und Fühlen Bescheid? Das liegt an einer Maßnahme, die der NSA gefallen müsste. Die Dörfler haben Pauls Telefon angezapft und schreiben jedes Wort mit, das er mit Freundin und Freunden in der fernen Großstadt tauscht.
Unterm Strich ergibt all das ein Lustspiel der liebenswerten Art, wobei in diesem Prädikat eine gewisse Langatmigkeit eingeschlossen ist. Wenn etwa der für 99 Prozent der Menschheit stinklangweilige Cricket-Sport erläutert wird, dann dämmert der Film dahin. Und viele Pointen kommen nicht wie der Blitz daher, sondern bedächtig wie im Seniorenclub.

Finale: Der Vertrag für eine neue Fabrik ist unterschriftsreif © Luna Film

Trotzdem macht „Die große Versuchung“ Spaß. Weil Taylor Kitsch, Brendan Gleeson und der Rest des schrullig angehauchten Ensembles blendend spielen. Und weil Regisseur Don McKellar ein sehr kompaktes Finale gelingt. Denn natürlich haben Lügen auch auf einer Insel kurze Beine. Irgendwann bemerkt Dr. Paul, dass er in Little Cove nach Strich und Faden beschwindelt wird. Und das geschieht ausgerechnet in einem Moment, in dem er so richtig Vertrauen fasst zu den Dörflern.
Gibt‘s einen Ausweg aus dem Schlammassel? Der Film, in dem so viel gelogen wird, findet einen sehr ehrlichen, realistischen Showdown, der vollkommen frei von Schmalz und falschen Tönen ist.
 
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die raue Dramen mögen - besonders, wenn die in Komödien verpackt sind. Und natürlich für alle Fans von Taylor Kitsch und Brendan Gleeson.






Trailer
LÄNGE: 115 min
PRODUKTION: Kanada 2013
KINOSTART Ö: 11.07.2014
REGIE:  Don McKellar
GENRE: Komödie
ALTERSFREIGABE: jugendfrei


BESETZUNG
Brendan Gleeson: Murray French
Taylor Kitsch: Dr. Paul Lewis