Die dunkelste Stunde

Entschlossenheit in düsterer Zeit


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„Die dunkelste Stunde“: Winston Churchill (Gary Oldman) sondiert die militärische Lage © Universal
DIE STORY: Gary Oldman porträtiert in „Die dunkelste Stunde“ den britischen Premierminister Winston Churchill – in der wichtigsten Phase seiner Laufbahn.
Der Film konzentriert sich auf die Ereignisse im Frühjahr 1940, als  der noch amtierende Premier Chamberlain mit dem Rücken zur Wand und die britischen Truppen mit dem Rücken zur See stehen. Chamberlain hat in London wegen seiner Appeasement-Politik längst jeden Kredit verloren. Das Expeditionskorps, stationiert in Nordfrankreich,  droht im rasanten Westfeldzug der Hitler-Truppen unterzugehen.
Als Chamberlain am 10. Mai 1940 zurücktritt, bestimmen die Konservative Partei und King George VI. den schillernden Winston Churchill zu seinem Nachfolger.
Der Exzentriker Churchill, der dem Volk schon in seiner ersten Rede „Blut, Tränen und Schweiß“ verspricht, stellt sich gegen jeden Kompromiss mit der Nazi-Diktatur. Wobei er mit dem Widerstand vieler Parteifreunde zu kämpfen hat, die auf eine Verständigung Großbritanniens  mit Deutschland aus sind;  unter Vermittlung des Duce, Benito Mussolini.
In einer berühmten Rede gelingt es Churchill jedoch im Juni 1940, das Parlament und das Land auf seine harte Haltung gegenüber Hitler-Deutschland einzuschwören.  Und er legt den Grundstein zum späteren Sieg über den Diktator, indem er die Rückholung des 300.000 Mann starken britischen Expeditionskorps aus Dünkirchen organisiert.

Brillantes Spiel: Gary Oldman und Kristin Scott Thomas als Ehepaar Churchill © Universal

DIE STARS: Regisseur Joe Wright („Stolz & Vorurteil“) hat für „Die dunkelste Stunde“ ein wunderbares Ensemble zusammengestellt, dem unter anderem Kristin Scott Thomas (als Churchills resolute Gemahlin), Lily James (als seine Sekretärin) und Ben Mendelsohn (als King George) angehören.
Doch der Film gehört von der ersten bis zur letzten Minute Gary Oldman. Wie er die Marotten und den groben Charme Churchills ausspielt, sein Selbstbewusstsein und seine Zweifel, seine Entschlossenheit und seine Brillanz als Redner und Volkstribun – das ist ein atemraubender darstellerischer Parforceritt. Gary Oldman hat für seinen Churchill schon den Golden Globe bekommen. Wir wetten darauf: Er wird auch den Oscar gewinnen.

Eine spektakuläre (und erfundene) Szene: Churchill bei den Bürgern in der U-Bahn © Universal

DIE KRITIK:  „Die dunkelste Stunde“ ist, wenn man so will, der Komplementär-Film zu Christopher Nolans Kriegsdrama „Dunkirk“. Letzteres schildert die Verzweiflung und dann den Aufbruch der britischen Truppen, die 1940 von einer privaten Boots-Armada zurück nach England geholt werden. Ersterer dokumentiert die Ereignisse in London, die zu dieser möglicherweise kriegsentscheidenden Rettungsaktion geführt haben: Die Anfänge von Winston Churchill als britischer Premierminister.
Beide Produktionen haben gemeinsam, dass sie zwar Kriegsfilme sind, die Kämpfe des Krieges jedoch nur am Rande bebildern. Wenn in „Die dunkelste Stunde“ gekämpft wird, dann vor allem mit Worten.
Da geht’s um innenpolitische Ränkespiele in London. Es geht um den Wechsel der politischen Linie vom weichen Appeasement Chamberlains zur harten Kriegsbereitschaft Churchills. Und es geht sehr massiv um die damals heftig diskutierte Frage, ob Churchill überhaupt als Premierminister geeignet sei.
„Er ist ein Schauspieler, der in den Klang seiner eigenen Stimme verliebt ist“, heißt es zu Beginn einmal abfällig über Churchill. Bei seinen ersten Auftritten im Film wird er als gnadenloser Exzentriker geschildert, der zugleich brillant und brutal sein kann, der seinen Lunch gern mit ein paar Gläsern guter Alkoholika runterspült und der nachmittags Wert auf ein Schläfchen legt.
Doch das sind Nebensächlichkeiten. Bis hinauf zum König keimen ernste Zweifel an den Qualitäten des neuen Prime Ministers, der zu diesem Zeitpunkt schon 65 Jahre alt ist und eine schillernde politische Karriere mit vielen Höhen und noch mehr Tiefen hinter sich hat.
„Die dunkelste Stunde“ erzählt nun, wie Churchill in dieser Periode höchster Bedrohung an Statur gewinnt. Wie er seine Widersacher mit gefinkelter Taktik und klugen Argumenten Zug um Zug auf seine Seite bringt. Wie er selbst unter der Sorge über den richtigen Weg in einem Krieg leidet, in dem die britischen Truppen von der Vernichtung durch Hitler bedroht sind.
Oft wirkt das Werk wie ein spannender Dokumentarfilm, der sich hautnah an die historischen Ereignisse schmiegt. Doch gelegentlich drückt Regisseur Joe Wright voll auf die Tube. Dies gilt vor allem für die emotionalste Sequenz des Films.
In dieser frei erfundenen Szene verlässt Churchill seine Limousine und steigt zu den Bürgern in die U-Bahn hinunter. Sollen wir kämpfen oder ein Abkommen mit Hitler suchen, fragt er dann sinngemäß die Leute im dahinratternden Zug. Deren Antworten sind eindeutig: Kämpfen. Niemals aufgeben.
Das ist patriotisches Erbauungskino pur; in dieser Passage schrammt „Die dunkelste Stunde“ haarscharf an düsterer Peinlichkeit vorbei.
Dass man der unterirdischen Begegnung  der Bürger mit dem Prime Minister atemlos folgt, liegt einerseits an Hauptdarsteller Gary Oldman, der auch in dieser schwierigen Szene den perfekten Ton findet. Es liegt aber auch am Wissen der Zuschauer von heute um den Lauf der historischen Ereignisse. Denn der Widerstand der Briten ebnete ganz wesentlich den Weg zum Sieg über Hitler und damit zum modernen demokratischen Europa unserer Tage.
Und da sinniert man dann auch einen Moment darüber nach, wie schade es doch ist, dass die Briten dieses Europa nun verlassen wollen.
 
IDEAL FÜR:  alle Filmfreunde, die sich für brillante Zeitgeschichte-Dramen begeistern können.






Trailer
LÄNGE: 126 min
PRODUKTION: Großbritannien 2017
KINOSTART Ö: 18.01.2018
REGIE:  Joe Wright
GENRE: Biografie|Drama
ALTERSFREIGABE: ab 8


BESETZUNG
Stephen Dillane: Viscount Halifax
Kristin Scott Thomas: Clementine Churchill
Gary Oldman: Winston Churchill
Lily James: Elizabeth Layton
Ben Mendelsohn: King George VI
Ronald Pickup: Neville Chamberlain