GESAMTEINDRUCK: Das französische Vorstadt-Drama „Die Wütenden“ ist ein perfekter Kommentar zu unserer Zeit. Wer wissen möchte, warum sich viele Menschen abgehängt fühlen, sollte diesen packenden Film sehen.
DIE STORY: Eine Einheit von Polizisten soll in einem rauen Vorort von Paris für Ruhe und Ordnung sorgen. Aber dann läuft ein Einsatz aus dem Ruder. Ein Junge wird von einem Polizisten schwer verletzt. Ein anderer Junge hat mit einer Drohnen-Kamera alles aufgenommen. Nun beginnt die Suche nach dem Videomaterial, bevor die Gewalt auf den Straßen nicht mehr zu stoppen ist.
DIE STARS: Stars braucht „Die Wütenden“ – Frankreichs Oscar-Hoffnung 2020 - nicht. Dieser Blick in den Alltag ist ungeschönt und realistisch. Große Namen hätten da nur gestört. Die Schauspieler, die der Pariser Filmemacher Ladj Ly gefunden hat, spielen absolut hinreißend!
DIE KRITIK: Im Original tragen „Die Wütenden“ den Titel „Les Misérables“. Da denkt man zuerst an den berühmten Roman von Victor Hugo oder an das Musical. Mit all dem hat der Erstlingsfilm des französischen Regisseurs Ladj Ly nichts zu tun. Es geht nicht um die Zeit der napoleonischen Herrschaft und um jede Menge Musik, sondern um die Gegenwart in einer Gegend, die nicht zu den nicht zu den feinsten Ecken vor den Toren von Paris zählt.
Gleich zu Beginn sieht man Menschen mitten in Paris frenetisch den Sieg der französischen Fussball-Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 2018 feiern. Das werden für den gesamten Film die einzigen beschwingten und federleichten Szenen sein.
Am Tag nach dem Finale tritt der Polizist Stéphane (Damien Bonnard) seinen Dienst in der Vorstadt an. Gemeinsam mit seinen Kollegen Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djebril Zonga) fährt er mit dem Streifenwagen durch Montfernell, eine der zahlreichen „Banlieues“ von Paris. Gesichtslose Hochhäuser reihen sich hier aneinander.
Die Polizisten sollen für Ruhe und Ordnung sorgen. Schwer zu machen, wenn die Situation – meisterhaft eingefangen von Ladj Ly – immerzu und ständig dabei ist, zu eskalieren und ins Gewalttätige zu kippen. Der Polizist Stéphane will Konflikte mit Verständnis und Ruhe lösen. Seine Kollegen lachen ihn nur aus. Sie sind seit zehn Jahren auf diesen Straßen der Hoffnungslosigkeit unterwegs.
Bald gibt es riesengroße Probleme. Die Leute von einem Zirkus rücken mit Schlagstöcken an. Ein Löwen-Baby wurde ihnen gestohlen. Jemand hat gesehen, dass der Dieb ein kleiner schwarzer Junge gewesen sein soll. Sofort gerät das gesamte Viertel unter Verdacht. Die Polizisten versprechen, das Tier innerhalb von 24 Stunden wieder zu beschaffen und treten damit eine Kette von Gewalt los, die am Ende niemand mehr kontrollieren kann.
Ladj Ly hat insgesamt 15 Jahre am Filmprojekt „Die Wütenden“ gearbeitet. Er ist am Drehort, in Montfernell, aufgewachsen. All das ist jeder Szene anzumerken. Der Regisseur erzeugt einen unglaublichen Sog und eine sehr tiefe Spannung.
Am Ende glauben die Erwachsenen, das Problem gelöst zu haben. Aber sie haben nicht mit den Kindern und Jugendlichen gerechnet. Die nämlich sind die wahren Opfer der derzeitigen Situation in Ländern wie Frankreich. Eine Perspektive, eine Hoffnung auf die Zukunft sehen sie nicht. Und deshalb lassen sie sich auch von Autoritäten nichts mehr sagen.
Sie suchen die direkte Auseinandersetzung mit der Obrigkeit, auch wenn das Kampf und Zerstörung und eventuell Untergang bedeutet. Aber es schwingt immer auch ein winziger Hauch von Zuversicht mit.
IDEAL FÜR: Menschen, die spannende Filme über reale gesellschaftliche Probleme mögen.