DIE STORY: Das Drama „Die Trapp Familie“ erzählt eine Geschichte neu, die mit dem Musical und dem Film „The Sound of Music“ zum Welterfolg wurde. Es geht um den Salzburger Offizier und Weltkrieg-I-Helden Georg von Trapp, der nicht unter den Nazis dienen wollte und der 1938 mit seiner Familie nach Amerika emigrierte. Schon in Österreich hatten die Trapps einen Familienchor gegründet, mit dem sie später in den USA sehr populär werden sollten.
„Die Trapp Familie“ ist eingepackt in eine kitschtriefende aktuelle Rahmenhandlung. Eine junge US-Nachfahrin der Trapps bekommt von der betagten Agathe von Trapp erzählt, was damals in den 1920er und 1930er Jahren in Österreich geschah. Diese Erzählungen aus dem Salzburger Land, geschildert aus der Perspektive der jungen Agathe, bilden dann den Kern des Films.
DIE STARS: Die Neuauflage der Trapp-Story ist eine deutsch-österreichische Produktion, die auf Englisch gedreht wurde. Der Cast ist etwas sonderbar zusammengestellt. Die Hauptrollen der Österreicher Georg von Trapp und seiner Tochter Agathe etwa werden von zwei mittelmäßig populären Mimen aus England gespielt, Matthew Macfadyen und Eliza Bennett.
Die Deutsche Yvonne Catterfeld ist als Maria von Trapp, die zweite Ehefrau Georgs, mit dabei. Die Berliner Operndiva Annette Dasch schlüpft ins Kostüm der berühmten Sopranistin Lotte Lehmann.
Einige wichtige Nebenrollen sind mit erstklassigen österreichischen Darstellern besetzt. Cornelius Obonya, der aktuelle „Jedermann“ der Salzburger Festspiele, gibt den Chauffeur und späteren Nazi Konrad. Johannes Nussbaum, der Jung-Star aus der ORF-Hitserie „Vorstadtweiber“, spielt einen jugendlichen Nazi-Gegner.
DIE KRITIK: „Die Trapp Familie“ ist ein Filmprojekt, dessen Sinn nicht leicht zu verstehen ist. Denn die neue Produktion spielt gegen eines der erfolgreichsten Filmmusicals aller Zeiten an: „The Sound of Music“ mit Julie Andrews wurde 1966 mit fünf Oscars ausgezeichnet.
Im Grunde erzählt der neue Film die gleiche Geschichte wie der alte, nur mit einer anderen Zentralfigur. Statt der Trapp-Ehefrau Maria steht jetzt die Trapp-Tochter Agathe im Zentrum. Und statt der berühmten Musical-Evergreens von Rodgers & Hammerstein („My Favorite Things“, „Do-Re-Mi“) ist volksmusikalisches Liedgut aus Österreich zu hören.
Es gibt noch einen dritten Unterschied. Der ist der gravierendste: Statt großen Kinos aus Hollywood gibt‘s eine schmalztriefende Version der Trapp-Story im Stil der Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen aus dem Fernsehen.
Der ganze Film wirkt routiniert, aber lustlos. Das merkt man schon bei der Synchronisierung: Die englischen Trapp-DarstellerInnen bekamen akzentbefreite deutsche Stimmen verpasst. Die klingen nach irgendwelchen x-beliebigen Vorabend-Serien – aber nie so, wie man in Österreich spricht.
Hat man die vollkommen belanglose Eröffnung mit der modernen Rahmenhandlung überstanden, taucht man ein in ein Ansichtskarten-Österreich-Idyll. Die Bilder von Stadt und Land Salzburg im Hintergrund sind prächtig. Genauso die Kostüme von Birgit Hutter: Familie Trapp trägt edlen Trachten- und Dirndl-Look.
Was die Story betrifft, folgt aber gleich der nächste Rückfall in reizlose Routine. Der Film konzentriert sich auf die privaten Aspekte der Familiengeschichte: Agathes Trauer über den frühen Tod ihrer Mutter. Agathes Einsatz, schon als Teenager die Rolle der Hausfrau in der Familie zu übernehmen. Agathes Eifersucht, als mit Maria ein neues Kindermädchen ins Haus kommt, das dann gar den Vater heiratet: All das wird breit ausgewalzt. Regisseur Ben Verbong („Das Sams“) scheut nicht davor zurück, kräftig auf die Tränendrüse zu drücken.
Der musikalische Teil des Films leidet natürlich unter der Tatsache, dass die Ohrwürmer des Musicals nicht zur Verfügung stehen. Der Aufbau des Trapp-Familienchors wird (historisch nicht ganz korrekt) so geschildert: Agathe von Trapp schwindelt sich in eine Festspiel-Probe der Sopranistin Lotte Lehmann. Die Sängerin entwickelt Sympathie für das junge Mädchen, lässt Agathe singen und schlägt die Gründung des Chors vor.
Und der politische Aspekt dieser wahren Geschichte aus der schlimmen Zeit des nahenden Faschismus? Der wird lange sehr oberflächlich abgehandelt. Erst als die Nazis 1938 wirklich vor der Tür stehen, mutiert das Rührstück zum Polit-Drama, das dann zwangsläufig stärkere Wirkung entfacht. Wenn Nazi-Schlägertrupps durch die Straßen von Salzburg ziehen und wenn die Trapps beginnen, die Flucht aus Österreich ins Auge zu fassen, dann fühlt man sich an die Flüchtlingsproblematik von heute erinnert.
In der eindrucksvollsten Szene des Films sieht man, wie sich die Trapps zu Fuß, nur mit ein paar Habseligkeiten ausgestattet, auf den Weg machen. Sie sind Migranten geworden; sie marschieren los, weg von Österreich.
Seltsamerweise wurde dieses Bild von der Kamera so eingefangen, als würden die Trapps der Stadt Salzburg, die man im Hintergrund sieht, entgegengehen.
IDEAL FÜR: alle, die „The Sound of Music“ zu politisch und zu anarchistisch finden.