GESAMTEINDRUCK: „Die Känguru-Chroniken“ ist eine wilde, schrille, politische und brüllend komische Groteske aus Berlin, in der ein sprechendes Känguru eine maßgebliche Rolle spielt.
DIE STORY: Beim Kleinkünstler Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) läutet es eines Tages an der Wohnungstür. Ein sprechendes Känguru steht draußen und bittet um Eier, weil es sich einen Eierkuchen zubereiten will. Gleich darauf läutet es wieder, denn das Känguru hat erkannt, dass es ihm auch an Pfanne und Herd mangelt. Das Beuteltier zieht kurzerhand bei Marc-Uwe ein. Von nun an stromern die beiden gemeinsam durch den alternativen Kiez von Berlin-Kreuzberg, wo ihr ruhiges Dasein bald endet. Marc-Uwe und das Känguru, beide politisch links, ziehen in den Kampf gegen den Immobilienhai Dwigs (Henry Hübchen), politisch rechts außen, der aus Kreuzberg ein Luxus-Stadtviertel mit Wolkenkratzer machen will.
DIE STARS: Der Berliner Autor, Kabarettist, Liedermacher und Kleinkünstler Marc-Uwe Kling kommt in den „Känguru-Chroniken“ gleich mehrfach vor. Erstens als Hauptfigur des Films, gespielt von Dimitrij Schaad. Zweitens als Stimme des Kängurus. Drittens als Erzähler aus dem Off. Und viertens als Autor des Drehbuchs. Letzteres liegt nahe, denn Kling hat auch die Geschichten und die Figuren, die dem Film zugrunde liegen (inklusive der „Känguru“-Romane) erfunden und geschrieben.
Der liebenswerte Berliner Schauspiel-Star Henry Hübchen („Sonnenallee“) schlüpft ins Schurkenkostüm des bösen Unternehmers Dwigs. Die wichtigsten weiblichen Rollen sind mit Rosalie Thomass und Carmen-Maja Antoni besetzt. Tim Seyfi und Adnan Maral spielen zwei Türkei-Deutsche, die von ihren integrationswilligen Eltern die Vornamen Otto von bzw. Friedrich Wilhelm verpasst bekamen.
DIE KRITIK: Slapstick und coole Sprüche, dazu eine Prise Holzhammer-Humor und ernsthafte politische Anliegen: Das ist die Mixtur, mit der „Die Känguru-Chroniken“ ihre Fans begeistern. Die Transferierung dieses Subkultur-Hits (Buch & Radio) auf die Kinoleinwand hat prächtig funktioniert. „Die Känguru-Chroniken“ ist vermutlich der lustigste deutsche Film der Saison 1919/20.
Schon die erste Hürde wird mit Bravour gemeistert: Wie macht man es den Zuschauern plausibel, dass hier ein sprechendes Känguru auftritt? Ganz einfach: Indem man so tut, als wäre ein sprechendes Känguru das normalste auf der Welt. So, wie es beim stets schläfrigen Protagonisten Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) der Fall ist. Der lässt sich bei der ersten Begegnung vom Känguru gleich in eine Diskussion über Eierkuchen und Schnapspralinen, über Kommunismus und Anarchie verstricken, anstatt sich über die sprachlichen Fähigkeiten des Beuteltiers zu wundern. Von nun an gehört das Känguru einfach zum Freundeskreis von Marc-Uwe dazu – und der schließt auch das Kinopublikum mit ein.
Regisseur Dani Levy („Alles auf Zucker!) gibt dem Film von der ersten Szene an eine anarchisch-absurde Atmosphäre, in welcher der Wortwitz prächtig gedeihen kann. Liebevoll modelliert er eine kleine Armada grotesker Gestalten aus dem alternativen Biotop der großen Stadt Berlin. Und er stellt diesen verhuscht-verträumten Lebenskünstlern eine Gruppe von Gegnern gegenüber, die ebenso überzeichnet sind wie die Helden der Geschichte.
Der Immobilienhai Dwigs, der das schmuddelig-schöne Kreuzberg zerstören will, ist die Karikatur eines ultrarechten Kapitalisten. Durch das rau-sensible Spiel von Dwigs-Darsteller Henry Hübchen bekommt dieser Dwigs aber erstaunlich viele Facetten (unter anderem kann er Elektrogitarre spielen, als wäre er bei Frank Zappa und Jimi Hendrix in die Schule gegangen).
Storymäßig entwickelt sich eine einfach gestrickte Gut-gegen-Böse-Geschichte, in der das Känguru-Team mit List und Tücke den Kreuzberger Kiez vor dem Immobilien-Ekel Dwigs retten will (der Mann hat eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit einem gewissen Präsidenten in Washington). Viel wichtiger als der große Bogen der Story sind aber die vielen kleinen blitzenden Dialoge, die wie Kabarett-Sketches wirken und dem Kinopublikum ein Grinsen ins Gesicht zaubern.
Um den Titel eines Theater-Klassikers zu zitieren: „Die Känguru Chroniken“ sind ein Werk voll Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung. Die Aussicht, dass es eine Fortsetzung geben könnte, ist hier (anders als bei vielen Hollywood-Blockbustern) keine gefährliche Drohung, sondern eine freudvolle Verheißung. Von diesem Känguru wollen wir noch mehr!
IDEAL FÜR: alle Freunde des schrägen Humors.